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Werbefrei mit Ausnahme: Kurt Becks Fahrplan für ARD und ZDF

Sie ist so sicher wie die nächste Wiederholung im Fernsehprogramm: Die regelmäßige Rückkehr der Forderung, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk werbefrei zu machen. Zuletzt wurde das Thema hierzulande ausführlich 2008 diskutiert, als Präsident Sarkozy die Finanzierung des öffentlichen Rundfunks in Frankreich neu regelte. Nun ist es wieder einmal so weit. Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder, hat einen "Fahrplan", so der Kontakter, ausgearbeitet, wie nach und nach erst Sponsoring und dann die gesamte Werbung aus dem Programm von ARD und ZDF verschwinden sollen.

Ab 2013 kein Sponsoring mehr?
Der erste fahrplanmäßge Halt läge demnach im Jahre 2013. Dann soll Schluss sein mit dem Programm-Sponsoring, das den Öffentlich-Rechtlichen laut gültigem Rundfunkrecht nach 20 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen erlaubt ist. Beck sieht für diesen ersten Schritt einen Konsens in der Rundfunkkommission.

Laut Kontakter plant der SPD-Politiker dann für 2015 eine Halbierung der Werbezeiten. Laut Rundfunkrecht dürfen die Öffentlich-Rechtlichen bislang bis 20 Uhr werben, und zwar im Schnitt 20 Minuten am Tag, außer an Sonn- und Feiertagen. Sponsoring ist auch nach 20 Uhr möglich. Dem Beckschen Fahrplan zufolge wäre mit dem einen wie dem anderen 2017 endgültig Schluss. Dann beginnt die übernächste Gebührenperiode.

Millionen-Einbußen bei Werbeverzicht
Doch dazu wird es wohl nicht kommen. Denn da die Rundfunkpolitik die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über Einsparungen hinaus nicht einschränken will, müssten statt dessen die Gebühren erhöht werden. Doch politisch wäre eine Erhöhung wegen Werbeverzicht dem Wahlvolk kaum zu vermitteln.

Um welche Summen geht es? Ein TV-Werbeverzicht hätte die ARD im Jahr 2008 166,6 Millionen gekostet, das ZDF 120,6 Millionen Euro (Nettowerbeumsätze laut Gebührenkommission KEF). Sponsoring schlug bei der ARD mit 35,2 Millionen und beim ZDF mit 19,3 Millionen Euro zu Buche.

Für die vorige Gebührenperiode hatte die KEF in ihrem 15. Bericht exemplarisch eine Erhöhung um 1,42 Euro zur Kompensation von Werbung und Sponsoring errechnet. Im aktuellen 17. Bericht hat sich die Kommission solche Zahlenspiele gespart. 2009 wurde die Gebühr ohnehin um 95 Cent auf 17,98 Euro erhöht. Die nächste Schmerzgrenze sieht Beck bei 20 Euro. Nur: Wer will das zahlen?

Das Gebührensystem ist sowieso eine Baustelle, an der die Rundfunkpolitiker seit Jahren herummörteln. Haushaltsabgabe? Geräteabgabe? Warum werden die Selbständigen nach der Entdeckung des Computers als Rundfunkempfänger doppelt und dreifach zur Kasse gebeten? Fragen über Fragen, die Beck und Konsorten seit Jahren vor sich her schieben.

Industrie will öffentlich-rechtliche Zielgruppe behalten
Außer den Privatsendern hat auf dem Papier niemand etwas davon, wenn ARD und ZDF werbefrei werden. ZDF-Intendant Markus Schächter hat bei einer früheren Gelegenheit sogar schon davor gewarnt, ohne Werbegelder noch stärker von der Politik abhängig zu sein. Selbst die werbetreibende Industrie war schon immer dagegen: Sie will nicht auf das öffentlich-rechtliche TV-Publikum verzichten und fordert im Umkehrschluss sogar einen Wegfall der 20-Uhr-Werbegrenze.

In Frankreich gab es diese Grenze vor Sarkozys Reform nicht; dort durften die öffentlichen Programme bis zum 5. Januar 2009 ganztags Werbung zeigen. Seither haben sich die Werbeeinnahmen - zuvor über 800 Millionen Euro - zwar halbiert, aber die Unternehmen sind nicht gänzlich zu den Privaten übergelaufen, sondern schichteten Teile ihrer Werbegelder auf das Tagesprogramm um. Dennoch: Ende 2011 wird France Télévisions laut Gesetz komplett werbefrei sein, ganz wie die britische BBC.

Sport als Ausnahme
Ist das auch in Deutschland machbar? Doch halt: ARD und ZDF sollen gar nicht komplett werbefrei werden. Bei Sportübertragungen möchten die Rundfunkpolitiker ihnen auch nach 2012 weiterhin Sponsoring gestatten. Die Logik dahinter: Nur per Programm-Präsentationen können die Öffentlich-Rechtlichen sich die teuren Sportrechte leisten. Gut für das Publikum, das ohnehin schon Gebühren zahlt und Fußball oder Olympische Spiele weiterhin frei empfangen kann. Für die werbefinanzierten Privatsender und das in Deutschland nach wie vor schwache Pay-TV wäre diese Art von Werbeverbot hingegen nur ein Phyrrus-Sieg.
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