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Bundesregierung will gegen "Caroline-Urteil" nicht vorgehen

Die deutschen Verleger und mit ihnen Chefredakteure und Journalisten-Verbände mussten sich schon lauthals mokieren, ehe die Bundesregierung sich des von ihnen heftig angefochtenen sogenannten "Caroline-Urteils" zum Schutz der Privatsphäre von Prominenten annahm. Das Ergebnis blieb jedoch für die Verlage völlig unbefriedigend: Deutschland wird gegen das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, das Prominenten wie der Prinzessin einen weitreichenden Schutz vor der ungefragten Belagerung ihrer Privatsphäre einräumt, keine Beschwerde einlegen. Bündel an Rechtfertigungen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries bot für diese Entscheidung gleich ein ganzes Bündel an Rechtfertigungen für potentielle Nebenkriegsschauplätze an: Urteile des Europäische Gerichtshofes für Menschenrechte hätten keinen höheren Rang als solche des Bundesverfassungsgerichts und seien für deutsche Gerichte nicht bindend; das Bundesverfassungsgericht, von der Bundesregierung um Stellungnahme gebeten, sehe auch keine zwingenden Gründe für Rechtsmittel; und schließlich seien von dem Urteil in Straßburg Politiker ausgenommen, weshalb das Kabinett auch nicht in eigener Sache entschieden habe. Wie immer, wenn lauter Verteidigungslinien aufgefahren werden, fragt sich der Beobachter, was denn nun der wahre Grund sei. Die Financial Times Deutschland will jedenfalls erfahren haben, dass Zypries (ebenso wie Bundeswirtschaftsminister Clement) im Kabinett für eine Anfechtung des Urteils gestimmt hätten, während Bundeskanzler Schröder ebenso wie Außenminister Fischer dagegen gewesen seien. Beranntlich führt der Kanzler in letzter Zeit seine eigenen Feldzüge gegen die Medien; Fischer wiederum wurde in Begleitung einer jungen Dame beim Marktbummel "abgeschossen". Entscheidung in eigener Sache? Gut möglich also, dass die beiden Spitzenpolitiker in der monegassischen Prinzessin eine Vorkämpferin gemeinsamer Interessen entdeckten. Zumal Wolfgang Fürstner, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger, erklärte: "Die Verlagerung der Entscheidung vom Justizministerium ins Kabinett legt den Verdacht nahe, dass hier auch in eigener Sache entschieden wurde." Der Verzicht der Bundesregierung sei ein "schwerer Schlag gegen die grundgesetzlich geschützte Pressefreiheit", heißt es beim VDZ. In Zukunft werde sich jeder Journalist "dreimal überlegen, was er schreiben darf und was nicht". Auch weite Teile des investigativen Journalismus' seien bedroht. Es riecht nach Panikmache Ist das aber wirklich so? Ob das Urteil, wie auch ZDF-Intendant Markus Schächter glaubt, zu einer Verallgemeinerung führt und damit "auf jedwede Form der Berichterstattung angewendet" werden könnte, darüber müssen sich erst einmal die Medienrechtler auseinandersetzen. Einstweilen riecht die aufgeregte Warnung streng nach Panikmache. In den publizistischen Kommentaren zu dem Urteil ist ja erstaunlich viel vom hohen Gut der freien Berichterstattung die Rede, aber erstaunlich wenig davon, dass die Fotos, gegen die Prinzessin Caroline erfolgreich anging, dem Bedürfnis nach Befriedigung niederer Instinkte nachkamen. Es wäre wohl eine grausame Pointe, wenn in Zukunft kritische Berichterstattung darunter zu leiden hätte, dass der Paparazzo-Journalismus in seine Schranken verwiesen wurde.
Zuletzt bearbeitet 02.09.2004 17:50 Uhr
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