Die Zukunft des Privat-TV
9Live entstand im September 2001, also vor fast zehn Jahren, aus einer Umformatierung des ehemaligen Frauen-Senders tm3, um fortan in Deutschland als Pionier des Call-in-TV zu wirken: Mit meist hanebüchenen Quizfragen animierten marktschreierische Moderatoren ein von Hot-Buttons, Trommelwirbeln und Countdowns angestacheltes Publikum zu gebührenpflichtigen Anrufen. Die Formel war so profitabel, dass ProSiebenSat.1 das Geschäft im Jahr 2005 übernahm. Sender-Chefin Christiane zu Salm, die das Mitmachfernsehen damals in Interviews und auf Medienkongressen zur Zukunft des Privat-TVs erklären durfte, wurde mit dem Verkauf ihrer Anteile Millionärin.
Und Deutschland erwies sich als gutes Gewinnspiel-Pflaster. Trotz heftiger Kritik an intransparenten Spielregeln, trotz Klagen, Beschwerden und Glücksspiel-Vorwürfen vermochte 9Live sein umstrittenes Geschäftsmodell lange Zeit weitgehend unbehelligt zu verfolgen. Erst 2009 legten die Landesmedienanstalten eine Gewinnspielsatzung vor. Auf die Bayerische Landeszentrale für neue Medien als Lizenzgeber konnte sich der Sender aber bis zuletzt verlassen.
Dass 9Live nun den Laden dicht machen muss, liegt nicht an dem halbseidenen Produkt, sondern schlicht am Geld: Machte der nach dem Erwerb von 9Live neu gegründete ProSiebenSat.1-Geschäftsbereich "Diversifikation" 2006 noch fast 95,8 Millionen Euro Jahresumsatz, so waren es im ersten Quartal 2011 nur noch 9,2 Millionen Euro. Mit der endgültigen Abschaltung des Anrufsenders ist eine - schmuddelige - Fernseh-Epoche zu Ende gegangen.