Das Geschäft mit dem Anruf: Bisher waren Call-In-Shows nicht anfechtbar
Artikel
| 06.08.2007
Bei den Münchner Medientagen, wo sich die Großkopferten der Branche treffen, herrschte Untergangsstimmung. Man schrieb das Jahr 2002. Flugzeuge waren ins World Trade Center geflogen, die Börsen kollabiert und die Medienkrise grassierte. Frohsinn beim "Mediengipfel" verbreitete allein die einzige Frau in der Manager-Runde: Christiane zu Salm pries ihren Mitmach-Sender 9Live als Zukunftsmodell, geeignet, die Privatsender vom Tropf der ausgedünnten Werbeeinnahmen zu befreien.
Tatsächlich hatte der 2001 aus dem Frauen-, später Champions-League-Sender tm3 hervorgegangene Sender schon im Mai 2002 die Gewinnschwelle erreicht; beinahe im Monatsrhythmus wurden damals Rekordumsätze vermeldet. Andere Sender kopierten das billig zu produzierende Erfolgsmuster. Heute hält man die Umsatzzahlen lieber geheim. 2005 konnte zu Salm ihre Anteile für viel Geld an den ProSiebenSat.1-Konzern verkaufen. Die Freifrau hatte den richtigen Riecher besessen.
"Kein unerlaubtes Glücksspiel"
Vielleicht ist sie auch zum rechten Zeitpunkt abgesprungen. Denn dem Format, das sich für die Veranstalter zum Hauptgewinn gemausert hat, drohen im kommenden Jahr empfindliche Einschränkungen durch neue rechtliche Rahmenbedingungen. Bislang fiel die Rechtsprechung allerdings positiv für die Fernsehveranstalter aus. Der Sender 9live verweist in seiner Selbstdarstellung auf ein 2004 eingestelltes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München:
Klagen, Abmahnungen
Das private Internet-Forum Call in TV, das seit Jahren die Telefonquiz-Animateure von 9Live, MTV, DSF, SuperRTL oder Viva beobachtet, steht seit einem Ende Juli verkündeten Spruch des Oberlandesgerichtes in München vor dem Aus. Der Betreiber hatte zuvor schon um Spenden gebeten, um Kosten von mindestens 20.000 Euro zu decken. Auch der Medienjournalist Stefan Niggemeier kassierte jüngst eine Abmahnung; beanstandet wurden zwei (Fremd-)Kommentare zu seinem Blog. Hinter beiden Fällen steht als Klageführerin die Produktionsfirma Callactive.
Klar ist: Im Internet, wo eine Google-Suche zahlreiche Video-Clips über fragwürdige Sendungen zu Tage fördert, herrscht oft ein rüder Ton; da werden Anwürfe herausgerotzt, die vom Stil her nicht satisfaktionsfähig sind. Schon allein deshalb sind Gerichte an einer inhaltlichen Auseinandersetzung gar nicht interessiert.
Allerdings sehen Betroffene auch bei professionellen Beschwerdeinstanzen wie Medienwächtern oder Verbraucherschützern bislang wenig Interesse, sich mit den Call-In-Programmen auseinanderzusetzen - was praktisch bedeutete, sich mit der gesamten Fernsehbranche einzulassen.
"Waaahnsinn", viel Geld
Dabei geht es um viel Geld: Die Unternehmensberatung Goldmedia schätzte in einer Studie den Branchenumsatz mit "Telefonmehrwertdiensten" im Jahr 2005 auf 450 Millionen Euro. Selbst die Öffentlich-Rechtlichen veranstalten Telefon-Fragespielchen, wenn auch ohne Countdown, Buzzer und "Waaahnsinn" stöhnende Moderatoren.
Bislang fehlte den Landesmedienanstalten auch die Handhabe. Das soll sich mit dem neuen Rundfunkänderungsstaatsvertrag ändern, der nach dem Wunsch der Direktorenkonferenz eine "ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für das Einschreiten bei rechtswidrigen Fernseh-Gewinnspielsendungen" enthalten soll.
Umsatz-Warnung
Glaubt man dem Nachrichtenmagazin Focus, so müssen sich die Sender nicht nur auf ermächtigte Medienwächter gefasst machen. Im Geschäftsbericht von ProSiebenSat.1 wird bereits vor Umsatzeinbußen gewarnt, falls im neuen Glücksspielstaatsvertrag der Länder, der ebenfalls Anfang 2008 in Kraft treten soll, "bei allen Call-In-Angeboten kostenfreie Mitspielangebote geschaffen werden müssten".
Zudem steht ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes darüber aus, ob es sich bei den umstrittenen Programmen überhaupt um Rundfunk handelt - oder nur um Werbung oder Teleshopping. Im letzteren Fall dürfte ein Sender unter den derzeitigen Lizenzbedingungen nur noch drei Stunden täglich Anruf-Gewinnspiele ausstrahlen.
Tatsächlich hatte der 2001 aus dem Frauen-, später Champions-League-Sender tm3 hervorgegangene Sender schon im Mai 2002 die Gewinnschwelle erreicht; beinahe im Monatsrhythmus wurden damals Rekordumsätze vermeldet. Andere Sender kopierten das billig zu produzierende Erfolgsmuster. Heute hält man die Umsatzzahlen lieber geheim. 2005 konnte zu Salm ihre Anteile für viel Geld an den ProSiebenSat.1-Konzern verkaufen. Die Freifrau hatte den richtigen Riecher besessen.
"Kein unerlaubtes Glücksspiel"
Vielleicht ist sie auch zum rechten Zeitpunkt abgesprungen. Denn dem Format, das sich für die Veranstalter zum Hauptgewinn gemausert hat, drohen im kommenden Jahr empfindliche Einschränkungen durch neue rechtliche Rahmenbedingungen. Bislang fiel die Rechtsprechung allerdings positiv für die Fernsehveranstalter aus. Der Sender 9live verweist in seiner Selbstdarstellung auf ein 2004 eingestelltes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München:
"Die Ermittlungen haben bestätigt, dass 9Live kein Besetztzeichen eingespielt hat, dass 9Live nicht widerrechtlich kostenpflichtige Anrufe auf seinen Anrufbeantwortern hervorgerufen hat, dass die Moderatoren von 9Live nicht unzulässig animieren, dass es keine für den Zuschauer kostenpflichtigen Rückrufe gab und dass 9Live kein unerlaubtes Glücksspiel vorgeworfen werden kann."Diese kleine Verteidigungsschrift enthält dankenswerterweise schon fast alle Anklagepunkte, die gegen Call-In-Shows laut werden. Vor allem im Internet ziehen empörte Zeitgenossen gegen die vermeintliche "Abzocke" zu Felde. Zunehmend flattert Forenbetreibern und Bloggern allerdings Post vom Rechtsanwalt ins Haus.
Klagen, Abmahnungen
Das private Internet-Forum Call in TV, das seit Jahren die Telefonquiz-Animateure von 9Live, MTV, DSF, SuperRTL oder Viva beobachtet, steht seit einem Ende Juli verkündeten Spruch des Oberlandesgerichtes in München vor dem Aus. Der Betreiber hatte zuvor schon um Spenden gebeten, um Kosten von mindestens 20.000 Euro zu decken. Auch der Medienjournalist Stefan Niggemeier kassierte jüngst eine Abmahnung; beanstandet wurden zwei (Fremd-)Kommentare zu seinem Blog. Hinter beiden Fällen steht als Klageführerin die Produktionsfirma Callactive.
Klar ist: Im Internet, wo eine Google-Suche zahlreiche Video-Clips über fragwürdige Sendungen zu Tage fördert, herrscht oft ein rüder Ton; da werden Anwürfe herausgerotzt, die vom Stil her nicht satisfaktionsfähig sind. Schon allein deshalb sind Gerichte an einer inhaltlichen Auseinandersetzung gar nicht interessiert.
Allerdings sehen Betroffene auch bei professionellen Beschwerdeinstanzen wie Medienwächtern oder Verbraucherschützern bislang wenig Interesse, sich mit den Call-In-Programmen auseinanderzusetzen - was praktisch bedeutete, sich mit der gesamten Fernsehbranche einzulassen.
"Waaahnsinn", viel Geld
Dabei geht es um viel Geld: Die Unternehmensberatung Goldmedia schätzte in einer Studie den Branchenumsatz mit "Telefonmehrwertdiensten" im Jahr 2005 auf 450 Millionen Euro. Selbst die Öffentlich-Rechtlichen veranstalten Telefon-Fragespielchen, wenn auch ohne Countdown, Buzzer und "Waaahnsinn" stöhnende Moderatoren.
Bislang fehlte den Landesmedienanstalten auch die Handhabe. Das soll sich mit dem neuen Rundfunkänderungsstaatsvertrag ändern, der nach dem Wunsch der Direktorenkonferenz eine "ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für das Einschreiten bei rechtswidrigen Fernseh-Gewinnspielsendungen" enthalten soll.
Umsatz-Warnung
Glaubt man dem Nachrichtenmagazin Focus, so müssen sich die Sender nicht nur auf ermächtigte Medienwächter gefasst machen. Im Geschäftsbericht von ProSiebenSat.1 wird bereits vor Umsatzeinbußen gewarnt, falls im neuen Glücksspielstaatsvertrag der Länder, der ebenfalls Anfang 2008 in Kraft treten soll, "bei allen Call-In-Angeboten kostenfreie Mitspielangebote geschaffen werden müssten".
Zudem steht ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes darüber aus, ob es sich bei den umstrittenen Programmen überhaupt um Rundfunk handelt - oder nur um Werbung oder Teleshopping. Im letzteren Fall dürfte ein Sender unter den derzeitigen Lizenzbedingungen nur noch drei Stunden täglich Anruf-Gewinnspiele ausstrahlen.
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