Elektronische Tinte, die Zukunft der Zeitung

Zeitungsleser von morgen trifft Zeitungsleserin von gestern
Foto: iRex Technologies
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Zeitungsleser von morgen trifft Zeitungsleserin von gestern
Foto: iRex Technologies
Die Tinte der Zukunft besteht aus 8,1 Millionen mikroskopisch kleinen, in Flüssigkeit schwimmenden schwarzen und weißen Kügelchen, die durch elektrische Ladung in Formation gebracht werden: Aus dem Chaos entstehen Buchstaben und Bilder - wie auf echtem Zeitungspapier, aber ohne Druckerschwärze und Chemikaliengeruch.

Das US-Unternehmen E Ink, ein Universitäts-Spin-off, das aus dem Bostoner MIT Media Lab hervorgegangen ist, produziert diese elektronische Tinte, deren Energiehunger recht genügsam ist, weil kein Strom fließt, es sei denn, eine neue Seite wird aufgebaut. E-Ink-Technologie wird inzwischen in der ersten Generation von Produkten wie Anzeigetafeln und Displays etwa bei Uhren implementiert - und eben auch in einem 400 Euro teuren, 390 Gramm leichten und nur DIN-A-5 großen Zeitungs-Lesegerät, das von der Phillips-Tochter iRex Technologies hergestellt wird. Drinnen schlägt das Herz eines 400-Mhz-X-Scale-Prozessors von Intel  mit 64 MB RAM - eine Ausstattung, die auch von digitalen Organizern, so genannten PDAs, bekannt ist.

Zeitungs-Reader kommt im April
"iLiad", so der Produktname des Readers, kommt im April auf den Markt. 200 Testleser der belgischen Wirtschaftszeitung De Tijd werden die ersten sein, die in den Genuss des elektronischen Zeitungspapiers kommen. Das Lesegerät nimmt Inhalte aus dem Internet (auch kabellos per WLAN) sowie von Flash-Karten und per USB entgegen - sowohl im eigenen, optimierten IDS-Format sowie in bekannten Formaten wie PDF oder XHTML. Auch MP3-Audio-Wiedergabe ist bereits implementiert. Weitere Formate sollen folgen.

Man lege Wert auf ein möglichst offenes System, heißt es bei iRex. Wie sich diese Vorgabe mit dem Thema Kopierschutz vereinbaren lässt, ist allerdings noch unklar. Die elektronische Ausgabe von De Tijd soll jedenfalls vorerst noch völlig ungeschützt verbreitet werden.

Kinderkrankheiten
Das ist nicht die einzige Kinderkrankheit des neuen Produktes. Obwohl Tageszeitungen zunehmend farbig werden, kann die neue E-Tinte nur schwarzweiß (aber immerhin in 16 Graustufen) "drucken". Zudem ist die Auflösung des Touchscreen-Displays mit 1024*768 Pixeln angesichts einer Diagonale von nur 8,1 Zoll zwar beachtlich, aber die Darstellung reicht natürlich bei weitem nicht, um die Zeitung in voller Größe zu lesen. Ein Leser muss deshalb jeden Artikel, den er betrachten will, zunächst mit einem Stift auf lesbare Größe hochzoomen.

Hersteller iRex glaubt dennoch, mit der neuen "Papier"-Qualität den Bann des Misserfolgs, der bislang jeglichen E-Book-Readern beschieden war, brechen zu können. Zumal die Darstellungs-Qualität dank Kügelchen sehr papierartig sein soll.

Elektronischer Papyrus
Dennoch: Haptisch ist das neue Gerät von echtem Zeitungs-Feeling noch weit entfernt, nicht nur was die Größe angeht. Zeitungen kann man ja knicken und falten. Das elektronische Papier an sich ist ebenfalls flexibel, nur die Lesegeräte sind es (noch) nicht. In der nächsten Evolutionsstufe werden die Gehäuse dank der Verwendung neuer Plastiksubstrate zwar auch nicht knick- und knautschbar wie gewöhnliches Papier sein, aber zusammenrollbar wie ein ägyptischer Papyrus.
Zuletzt bearbeitet 03.03.2006 14:48 Uhr
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