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Doping im Fernsehen: Auf der Suche nach dem Kronzeugen

In Italien, dem Mutterland der Mafia, sollten staatliche Ermittler eigentlich nicht mehr so leicht zu überraschen sein. Auch der Turiner Staatsanwalt Raffaele Guariniello ist so einiges gewohnt - und doch, so sagt er gleich zu Beginn des neuen ARD-Enthüllungs-Stücks Geheimsache Doping: Eiskalter Betrug, sei die Verschwiegenheit im Sport besonders schwer zu durchbrechen.

Zwischen Minsk und Österreich
Das sieht man dem kurzfristig vor den Olympischen Winterspielen in Vancouver ins Programm gehievten Halbstunden-Film von Doping-Investigator Hans-Joachim Seppelt an: Auf der Blutspur sind Seppelt und seine Co-Autoren Robert Kempe und Jochen Leufgens nach Moskau, Minsk und - immer wieder - Österreich gereist. Sie haben sich in Weißrussland als deutsche Trainer ausgegeben, die Blutplasma kaufen wollen. Sie haben die Scheinfirma "Muscle Research Institute Berlin" errichtet, um den noch recht neuen Wirkstoff S107 aus Estland und sogar bei einem Chemielabor in Baden-Württemberg zu ordern.

Und doch haben sie aus dem undurchdringlichen Steinbruch Spitzensport nur mühsam harte, neue Doping-Fakten herausschlagen können. "Erst vor zwei Wochen war klar, dass wir starke Geschichten haben", sagte der verantwortliche MDR-Redakteur Roman Biela bei einer Voraufführung im ARD-Hauptstadtstudio in Berlin. Das erkläre die besonders späte Ausstrahlungszeit in der kommenden Nacht um 0:15 Uhr.

Der ARD-Film will belegen, dass auf dem Schwarzmarkt längst Substanzen zum Blutdoping erhältlich sind, die das Doping-Kontrollwesen noch ignoriert - obwohl wie im Falle von S107 bereits Nachweismethoden existieren. Als Kronzeuge dafür dient ausgerechnet Walter Mayer, jener österreichische Langlauf- und Biathlon-Trainer, dessen Blutdopingpraktiken bei einer spektakulären Razzia während der Winterspiele 2006 in Turin aufflogen und der sich erstmals ausführlich vor der Kamera äußert.

Schuld sind bei Mayer ("Was nicht verboten ist, ist erlaubt") aber immer nur die anderen. Das ist die Crux, dass sich Journalisten, die im Doping-Sumpf recherchieren, mangels anderer redseliger Quellen auf überführte Übeltäter wie Mayer oder den Balco-Chef Victor Conte, der unter anderem US-Leichtathleten versorgte, stützen müssen.

Kronzeuge "aus Mitteleuropa"
Doch Seppelt kann auch einen neuen Kronzeugen vorführen: Einen Skilangläufer "aus Mitteleuropa", der behauptet: "Ich war bei Olympia gedopt und keiner hat es gemerkt. Erwischt werden auch in Vancouver nur die, die nicht wissen, wie Doping wirklich funktioniert." Der Mann will allerdings anonym bleiben - aus Angst vor Repressalien. So sieht man ihn im Film nur mit verfremdetem Gesicht und hört statt seiner eigenen Stimme ein Voice-over.

Ein echte Scoop ist das allerdings noch nicht. Ihn sucht man in diesem Fim ohnehin vergeblich. Das deutsche Skisport-Lager muss sich jedenfalls (noch) keine Sorgen machen, selbst wenn die schon zwei Jahre alten Gerüchte, dass auch DSV-Biathleten und Langläufer Kunden jener Wiener Blutbank waren, erstmals durch einen - ja, österreichischen - Offiziellen bestätigt werden - allerdings noch allgemein und sehr zurückhaltend. Der spektakuläre Doping-Fall der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein findet im Film überhaupt keine Erwähnung, obwohl bis heute die Experten streiten, womit sich die gesperrte Athletin gedopt hat - wenn sie sich denn gedopt hat.

Seppelt hofft allerdings darauf, dass sich sein anonymer Kronzeuge bald dazu durchringen wird, als erster Nicht-Radsportler mit offenem Visier auszupacken. "Es wird der Punkt kommen, wo das Kartenhaus einstürzt", glaubt der Journalist. Und wenn ausgepackt wird, dann natürlich nicht bei der ZDF-Doping-Taskforce, die am 10. Februar um 23.15 Uhr ihre eigene, ebenfalls recht Österreich-lastige Doping-Recherche unter dem Titel Mission Gold nachlegt, sondern vor Seppelts ARD-Kamera. So viel Wettbewerb muss sein.
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