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Autoren gesucht: Warum Google Books weltweit Anzeigen schaltet

Googles Gerichtsbekanntmachung.
Foto: Archiv (Ausschnitt)
Googles Gerichtsbekanntmachung.
Foto: Archiv (Ausschnitt)
Google schaltet Zeitungs-Anzeigen. Wer hätte das gedacht? Seit Februar lässt die Internet-Firma, die viele für den Totengräber des konventionellen Werbegeschäfts halten, weltweit Anzeigenplatz buchen, um einen Aufruf bekannt zu machen. Auch in deutschen Tageszeitungen und dem Börsenblatt des Buchhandels war Googles frohe Botschaft schon zu lesen. Darin werden Autoren aufgefordert, bis zum 5. Januar 2010 Ansprüche gegenüber der Bücher-Datenbank Google Books anzumelden - oder der Verwertung ihrer Bücher dort zu widersprechen.

Wie kommt's? Seit 2004 scannt Google Literatur ein und macht sie durchsuchbar, ohne bei den Urhebern nachzufragen. Bei den Klassikern, die man zunächst in Bibliotheken digitalisierte, war das auch schwer möglich und rechtlich sowieso nicht mehr nötig. Mittlerweile hält Google aber auch Werke lebender Autoren bereit - unter anderem mit dem schönen Argument, vergriffene Titel online wieder verfügbar zu machen.

Philantropen, kalte Enteigner
Solche philantropischen Motive reklamieren sie gerne für sich, die kalifornischen Suchmaschinen-Pioniere, wenn sie beim unerschrockenen Datamining techologisches und juristisches Neuland betreten. Nach dem Geschmack vieler Beobachter geht Google dabei allerdings viel zu unerschrocken vor. In den USA zogen Autoren und Verlage jedenfalls die Notbremse und mit einer Sammelklage vor den Kadi. Im letzten Herbst stimmte Google dann einem 125 Millionen Dollar schweren Vergleich zu, der Entschädigungszahlungen, künftige Gewinnbeteiligungen und den Aufbau eines Registers zur Rechteverwaltung festschreibt. Nach US-Recht bedarf dieser Vergleich noch der Zustimmung des Gerichts. Der Termin ist im Juni.

Aber Google scannt ja nicht nur US-Bücher. Laut Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, der mit Libreka eine eigene Suchmaschine etablieren will, sind auch "Zehntausende von Büchern deutscher Verlage" erfasst, und die hiesige Branche ist über diese "kalte Enteignung" (Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins) not amused. Für die Deutschen und für alle anderen Rechteinhaber der Welt soll der Vergleich jedoch nun ebenfalls gültig sein - da ist das US-Recht nicht kleinlich.

Wer bis zum 5. Mai 2009 nicht widerspricht, hat also stillschweigend dem Vergleich zugestimmt. Klingt nach Spammer-Methoden ("Du hast nicht Nein gesagt, also musst du wohl Ja meinen"), steht aber so in der Gerichtsbekanntmachung, die Google per Anzeige in nicht weniger als 70 Sprachen um die Welt geschickt hat.

Für eine Handvoll Dollar
Besonders üppig sind die Tantiemen, die Google auslobt, nicht; besonders mies aber auch nicht. Für Bücher, die Google bereits verwendet hat, ohne nachzufragen, wird eine Einmalzahlung von mindestens 60 Dollar in Aussicht gestellt. Künftig will Google die Rechteinhaber mit 63 Prozent an den Einnahmen aus Downloadgebühren und Werbung beteiligen, die mit ihren Büchern erzielt werden.

Sieben Millionen Dollar sollen Google dagegen die Zeitungsanzeigen gekostet haben - rund ein Dollar für jedes bisher gescannte Buch sozusagen. Der New York Times zufolge handelt es sich um "eine der teuersten gedruckten Gerichtsbekanntmachungs-Kampagnen aller Zeiten". Das US-Gericht wird diese bemerkenswerten Bemühungen um die Rechteinhaber der Welt dann wohl zu würdigen wissen. Ob aber die Einigung und ihre Bedingungen außerhalb der USA überhaupt Zustimmung finden - wen interessiert's dort?

Rechte wiederherstellen
In Deutschland hat die VG Wort ein Rechtsgutachten einholen lassen, auf dessen Basis die Gesellschaft nun beschlossen hat, dem Google-Vergleich nicht pauschal zu widersprechen. Vielmehr will sich die VG Wort, die im Namen von Urhebern und Verlagen seit 51 Jahren Vergütungen für Kopien und Geräte erhebt, im Mai von ihren Mitgliedern autorisieren lassen, bei Google die 60-Dollar-Prämie für jedes bereits gescannte deutsche Buch einzusammeln. Für die Zukunft will man aber die Entfernung von sämtlichen vergriffenen und lieferbaren Büchern aus der Datenbank verlangen.

"Es geht uns in erster Linie darum, die Rechte unserer Urheber und Verlage gegenüber Google wiederherzustellen", erklärte der neue VG-Wort-Geschäftsführer Robert Staats. Vergriffene deutsche Bücher könnten künftig dennoch in Googles Büchersuche auftauchen, allerdings nicht zu den Bedingungen des US-Vergleichs. Statt dessen will die VG Wort die digitale Nutzungen selbst für Google - über deren Partnerprogramm - und auch für Dritte lizenzieren.

Was nicht vergriffene Titel angeht, so wird es den Rechteinhabern vorbehalten bleiben, ob sie sich für 63 Prozent Gewinnbeteiligung mit Google einlassen wollen oder nicht. Gut möglich, dass deutsche Verleger darüber im Alleingang entscheiden werden. Denn in den Autorenverträgen lassen sich die Verlage gerne prophylaktisch die Rechte für alle möglichen, auch digitalen Nutzungsarten pauschal einräumen. "Enteignung" würde das in der honorigen Bücherbranche allerdings niemand nennen.
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