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Personal-Exodus zu dpa, Umbruch in der Nachrichten-Branche

Seit der ddp im Dezember die deutsche Abteilung der US-Nachrichtenagentur AP übernommen und in DAPD umfirmiert hat, ist ein Exodus von führenden Redakteuren zum Platzhirschen dpa zu beobachten. Zuerst wurde Auslandschef Peter Zschunke abgeworben, dann ging Hauptstadt-Korrespondent Michael Fischer, und nun folgt auch noch Froben Homburger, Chef des Inlands-Ressorts beim DAPD. Schon Ende November war der Wechsel von Antje Homburger zur dpa als Wirtschafts-Ressorleiterin annonciert worden.

Neue Konkurrenz im eingefahrenen Betrieb
Natürlich kann man sich über die Abgänge enttäuschter AP-Mitarbeiter zur Konkurrenz trefflich das Maul zerreißen. Aber dahinter steckt mehr als nur ein paar pikante Personalwechsel: Der im Besitz von Finanzinvestoren stehende ddp ist mit der AP-Übernahme zu einem selbstbewusst auftrumpfenden Konkurrenten für den Marktführer dpa gewachsen. Der Depeschen-Dienst drängt allerdings nicht nur mit guten Preisen auf den Markt; auch Honorare und Arbeitsbedingungen gelten dort als schlechter. Die AP-Übernahme im Dezember kommentierte der Betriebsrat als "traurigen Tag".

Wer im letzten Jahr mit dpa-Kollegen gesprochen hat, blickte auch nicht gerade in glückliche Gesichter. Auch dort spürt man den Kostendruck. Im Juli folgt der Umzug in die neue Zentralredaktion nach Berlin, den nicht alle Redakteure mitmachen wollen. Zudem ist der seit Jahresbeginn amtierende Chefredakteur Wolfgang Büchner, der von Spiegel Online kam, im Begriff, die eingefahrene Agentur neu aufzustellen. Dafür braucht er frische, aber erfahrene Kräfte. So wird Zschunke Chefkorrespondent im Online-Ressort, das dpa fehlte.

Top-Themen und Fact-Checking
Homburger soll eine weitere Neuerung betreuen: die sogenannten Top-Themen. Dahinter verbirgt sich so etwas wie eine besondere nachrichtliche Eingreiftruppe. Das Top-Themen-Team "steuert bei überraschenden, überragend wichtigen Nachrichtenlagen die aktuelle Berichterstattung über alle Medienformate und Verbreitungskanäle hinweg", erklärt Büchner in einer Pressemitteilung.

Dazu passt, dass Büchner intern Arbeitsabläufe ändert und das Fact-Checking intensiviert. In den letzten Monaten war ausgerechnet die als solide geltende dpa mehreren Falschmeldungen auf den Leim gegangen - unter anderem einem angeblichen Selbstmord-Attentat im US-Städtchen Bluewater. Dass die Agentur Opfer eines PR-Gags geworden war, meldete dann - ausgerechnet - Konkurrent ddp.

Blogs, Twitter, Social Media - und eben Fakes. Die Nachrichtenlage wird für ihre einstigen Hüter, die Agenturen, immer unübersichtlicher. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier dokumentiert in seinem Blog eine interne Anweisung, die Büchner seiner Redaktion auf den Weg gegeben hat. Sie erinnert an "best practices"-Anleitungen nach angloamerikanischem Vorbild. Ein Kernsatz daraus lautet: "Richtigkeit geht IMMER vor Geschwindigkeit."
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