Es war einmal die "Netzeitung"

Die Netzeitung nach dem letzten Relaunch im Februar 2008
Screenshot: Archiv Netzpresse
Die Netzeitung nach dem letzten Relaunch im Februar 2008
Screenshot: Archiv Netzpresse
Es war einmal eine Zeitung, die wurde nicht mehr gedruckt, nein, sie erschien wunderlicherweise nur noch im Internet. Die Zeitung nannte sich Netzeitung, abgeleitet von ihrem Vorbild, der norwegischen Nettavisen, und wollte guten Journalismus ohne Druckerschwärze machen. Damals hieß das: eine Zeitung im Internet.

Man schrieb das Jahr 2000. Eine schöne Etage am Bahnhof Friedrichstraße mitten in Berlin wurde bezogen. Der Österreicher Michael Maier, bei der Berliner Zeitung aufgestiegen und beim Stern gescheitert, leitete eine junge Redaktion, und zwei "Online-Journalisten", damals ein exotisches Wort, fuhren zu Olympia nach Sydney.

Immer in den falschen Händen
Dann platzte im Internet eine Blase und die Netzeitung wechselte erst zu Lycos Europe und später zu BertelsmannSpringer - zwei Bertelsmann-Unternehmen ohne Zukunft. 2003 kaufte Maier das digitale Blatt mit Ralf-Dieter Brunowsky als Partner per Management Buyout. 2004 verkündete Maier den Break-even und hatte auch sonst viel zu verkünden. Er verkaufte Nachrichten an N24 und Klassikradio. Er startete das Debattenforum Speakers Corner und später die Readers Edition.

Gewiss versuchte die Netzeitung früher als andere, den Dialog mit den Lesern zu organisieren - aber sie blieb stets eine Zeitung. Eine, die nur Online erschien und bei der das Geld knapp war. Die FAS ätzte, die Netzeitung simuliere nur noch Journalismus.

Das Hauptproblem war, dass die Netzeitung immer in die falschen Hände geriet. 2005 kehrte sie zwar wieder zurück in norwegischen Besitz. Der neue Eigentümer Orkla Media wurde allerdings 2007 von Zeitungs-Investor David Montgomery aufgekauft, der auch den Berliner Verlag übernahm. Montgomerys vollmundige Online-Pläne für Berliner und Netzeitung wurden aber nie umgesetzt. Kurz vor Jahresende 2008 stampfte man sogar die Branchen-bekannte Medienkolumne Altpapier ein.

Totengräber DuMont
Nach sechs Eigentümerwechseln in weniger als zehn Jahren bleibt es nun dem Kölner Verlag DuMont Schauberg vorbehalten, die Netzeitung zum Jahresende vollends zu Grabe zu tragen. In der derzeitigen Form sei eine Internetzeitung wirtschaftlich nicht zu betreiben, heißt es in einer Mitteilung. Die Mitarbeiter-Liste verzeichnet allerdings neben Chefredakteurin Domenika Ahlerichs nur noch neun Text- und Bildredakteure. Sie alle erhalten "in Kürze" betriebsbedingte Kündigungen.

Die Marke Netzeitung soll als "automatisiertes Nachrichtenportal" bestehen bleiben. Es war einmal.
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