Ein Fall für Zyniker: Leistungsschutzrecht auf dem Klageweg

Ausschnitt der VG-Media-Website
(Screenshot)
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Ausschnitt der VG-Media-Website
(Screenshot)
Über 15 Monate  nach Verabschiedung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger durch den Deutschen Bundestag und mehr als zehn Monate nach dessen Inkrafttreten gehen deutsche Verlage erstmals zivilrechtlich gegen den Internet-Konzern vor. Die Klage führt die VG Media, eine Verwertungsgesellschaft, die zuvor nur im Privatrundfunk aktiv geworden ist.

Nach eigenen Angaben haben der VG Media bisher 138 Verlage mit 219 digitalen Angeboten ihr Schutzrecht zur Wahrnehmung übertragen. Zudem sind mit Zustimmung des Bundeskartellamtes zwölf Verlage - darunter Axel Springer, Funke und Madsack - Gesellschafter der VG Media geworden.

Ebenso interessant ist allerdings, wer nicht dabei ist. Neben erklärten LSR-Gegnern wie Spiegel Online oder Sueddeutsche.de lässt sich auch Focus Online nicht von der VG Media vertreten.

Der Rechtstreit wird wohl nichts für ungeduldige Zeitgenossen werden. Bevor der Fall vor Gericht kommt, muss die in solchen Angelegenheiten zuständige Schiedsstelle für Urheberrechtsangelegenheiten beim Deutschen Patent- und Markenamt erst einmal klären, ob die von der VG Media angesetzten Tarife überhaupt angemessen sind.

Snippets verwertbar?
Knackpunkt des Verfahrens ist allerdings eine andere Frage: Fallen Snippets, also kurze Textausschnitte, wie sie Google automatisch generiert, überhaupt unter das Verwertungsrecht? Der Gesetzgeber hat sich da - wie schon häufig kritisiert wurde - mit einer unklaren Definition aus der Verantwortung gestohlen. Für die VG Media ist das natürlich keine Frage:
"Der Deutsche Bundestag hat die Einführung eines Leistungsschutzrechtes für Presseverleger beschlossen, damit Verleger künftig eine Vergütung von Internetkonzernen verlangen können, die sich deren verlegerische Leistung für ihre eigenen Geschäftsmodelle nachhaltig zunutze machen. Dabei hatte der Gesetzgeber die derzeit aktiven Anbieter, wie z. B. Google, Microsoft und Yahoo, und deren konkrete Rechteverwertungen vor Augen. Das Gesetz ist aus diesem Grund eindeutig formuliert: Vergütungspflichtige Nutzer sind gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten." (Burda-Manager Michael Tenbusch, stellvertretender Beiratsvorsitzen der BG Media)
Ebenso klar ist, dass Google die Sache anders sieht und Verhandlungen mit der VG Media ablehnt. Die Suchmaschine will für Snippets nichts bezahlen; Verlagen, die das nicht akzeptieren wollen, bietet Google u.a. ein Delisting per Opt-out für seinen News-Aggregator an.

Elf-Prozent-Tarif
Laut dem von der VG Media veröffentlichten Tarif für digitale verlegerische Angebote fordert die Verwertungsgesellschaft pauschal vier bis elf Prozent der Brutto-Umsätze, die Suchmaschinen und/oder Aggregatoren - definiert als "Dienste, die Inhalte entsprechend aufbereiten""unmittelbar und mittelbar mit der öffentlichen Zugänglichmachung von Ausschnitten aus Online-Presseerzeugnissen erzielen".

Aktuell fallen aber höchstens sechs Prozent an; elf Prozent dürften erst gefordert werden, wenn und sofern die VG Media mindestens alle bei IVW Online erfassten Web-Angebote vertreten würde. Wer nur Suchmaschine oder nur Aggregator ist, soll ein Drittel weniger zahlen; aktuell also vier Prozent.

Laut Tarif müsste Google als Suchmaschine und Aggregator also sechs Prozent zahlen. Dummerweise kennen die Verlage aber Googles Umsätze nicht.

Fest steht: Freiwillig werden die Kalifornier sie nicht herausrücken. Fest steht auch: Jene Zyniker, die behauptet nach Verabschiedung des Gesetzes behauptet haben, das unklare Leistungsschutzrecht sei ein Konjunkturprogramm für Juristen, bekommen auf jeden Fall Recht.