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"Cicero"-Affäre: Karlsruhe verteidigt Pressefreiheit

Gerichtsgebäude in Karlsruhe
Foto: Tobias Helfrich
Gerichtsgebäude in Karlsruhe
Foto: Tobias Helfrich
Die Durchsuchung der Redaktionsräume der Zeitschrift Cicero und Beschlagnahmung von Datenträgern am 12. September 2005 stellte einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die Pressefreiheit dar. Das stellte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe fest. Das Urteil ist eine schallende Ohrfeige für den damaligen Bundesinnenminister Otto Schily, die Ermittlungsbehörden und das Potsdamer Landgericht, das die Durchsuchung anordnete, um ein Leck im Bundeskriminalamt zu stopfen.

Unzulässige Durchsuchungen
Die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses in der Presse durch einen Journalisten reiche nicht aus, um eine Durchsuchung zu begründen, befand der Erste Senat mit 7:1 Stimmen und gab damit einer Verfassungsbeschwerde von Cicero-Chefredakteur Wolfram Weimer Recht. Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige seien verfassungsrechtlich unzulässig, "wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln".

Die Zeitschrift hatte im April 2005 einen Artikel über den Terroristen Abu Mousab al Zarqawi publiziert. Autor Bruno Schirra stützte sich darin unter anderem auf interne, als Verschlussache gekennzeichnete BKA-Dokumente. Die Staatsanwalt Potsdam leitete daraufhin gegen den Journalisten ein Verfahren wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat ein. Durchsucht wurden sowohl Schirras Haus als auch die Redaktionsräume.

Für besonders bedenklich hielt es das Gericht, dass die gerichtlich angeordnete Beschlagnahmung den Ermittlungsbehörden einen bequemen Zugang zu redaktionellem Datenmaterial eröffnete. Dies greife in besonderem Maße in die vom Grundrecht der Pressefreiheit umfasste Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit ein, aber auch in ein etwaiges Vertrauensverhältnis zu Informanten.

Kein Freibrief für "Whistleblower"
Einen uneingeschränkten Freibrief für die Pressefreiheit bedeutet das Urteil aber auch nicht. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes können Journalisten nach wie vor der Beihilfe zum Geheimnisverrat beschuldigt werden. Auch Durchsuchungen sind gerechtfertigt, wenn "tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer vom Geheimnisträger bezweckten Veröffentlichung des Geheimnisses" vorliegen.

Möglich macht dies der Strafrechtsparagraf 353 b, der die "unbefugte Offenbarung eines Dienstgeheimnisses" unter Strafe stellt. Er stammt - Ironie der Rechtsgeschichte - aus der Nazi-Zeit.
Zuletzt bearbeitet 27.02.2007 13:40 Uhr
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