Sie befinden sich hier:

Altruistische Heuschrecken: Die Nachrichtenagentur dapd ist in Berlins Mitte angekommen

Alles new: Newsmanager am Newsdesk in der neuen DAPD-Zentrale
Foto: Netzpresse
Zoom
 + 
Alles new: Newsmanager am Newsdesk in der neuen DAPD-Zentrale
Foto: Netzpresse
Das üblicherweise recht prosaische Agenturgeschäft mit Nachrichten macht dieser Tage in Deutschland große Sprünge. Schuld daran sind zwei Finanzinvestoren, die eine altruistisches Hobby pflegen: die Pressefreiheit. So klingt es jedenfalls, wenn man Peter Löw lauscht, einem der beiden Gesellschafter der Nachrichtenagentur dapd.

Gestern abend war wieder so ein Moment für große Bekenntnisse gekommen. Drei Wochen, nachdem Marktführer dpa seinen neuen Newsroom im Berliner Springer-Haus bezogen hat, feierte die aus ddp und deutscher AP fusionierte Nachrichtenagentur die Eröffnung ihrer neuen Zentrale in Berlins Mitte an der Rheinhardtstraße.

Zur großen Sause gaben sich Bundespräsident Christian Wulff, Außenminister Guido Westerwelle sowie weitere Minister und Parlamentarier die Ehre. Eine Fernsehfrau in Rot stellte den Politikern vor laufender Kamera Fragen: Der dapd produziert nämlich seit Neuestem auch Bewegtbilder.

Tatsächlich eine "Vollagentur"
In der Feierlaune ließ sich Löws Partner Martin Vorderwülbecke sogar zu einer Ankündigung hinreißen, die offenbar noch gar nicht geplant war: Zu Ostern nächsten Jahres will der dapd nämlich auch einen echten Sportdienst anbieten - damit wäre die aus ddp und deutscher AP im letzten Jahr fusionierte Patchwork-Agentur dann tatsächlich eine "Vollagentur" und ein harter Konkurrent für dpa.

Später monierte dapd-Chefredakteur Cord Dreyer, der letztes Jahr ausgerechnet vom Wirtschaftsdienst dpa AFX herübergewechselt war, durchaus überzeugend, er habe die Ankündigung eigentlich noch gar nicht machen wollen. Aber so ist das eben mit den beiden DAPD-Eigentümer Vorderwülbecke und Löw: Vor Überraschungen ist man bei ihnen nie sicher.

Als die beiden 2004 dem insolventen ddp Geld für einen Management-Buyout gaben, wunderte sich die ganze Branche. Als sie 2009 dann die deutsche AP übernahmen und eine Lizenz zur Nutzung des gesamten internationalen Materials der weltgrößten Nachrichtenagentur erwarben, wurde auch dpa, bis datio einziger Anbieter des vollen Programms, nervös.

Zum Geldverdienen nicht geeignet
Warum machen die beiden Investoren das? Löw erzählt, er habe etwas für die Meinungsfreiheit tun wollen; das sei ihm von seinem Vater, einem Beamten, der die Gleichschaltung im Nationalsozialismus nicht habe hinnehmen wollen, in die Wiege gelegt worden. Heute sieht Löw die Nachrichtenagenturen zunehmend in der Pflicht, weil Zeitungsverlage ihre Redaktionen ausdünnten. Die Pressefreiheit, behauptet Löw kühn, liege "in der Hand weniger Nachrichtenagenturen". Ihnen obliege es, das Material zur "Interpretation durch die nachgelagerten Medien" zu liefern.

"Zum Geldverdienen", sagt Kompagnon Vorderwülbecke, "ist das Nachrichtengeschäft jedenfalls nicht geeignet". Im Gegenteil: 30 Millionen Euro koste die Agentur im Jahr - ein Zuschussgeschäft. Immerhin hat der dapd mit seinen neuen Angeboten eine Wachstums-Perspektive - während dpa nur verlieren kann. Der Wettbewerb wird über das Angebot und den Preis geführt; den neuen Videodienst, der in Leipzig produziert wird, gibt dapd beispielsweise als kostenloses Sahnehäubchen dazu.

Dass die Gehälter niedriger als bei dpa sind, hält Peter Gehrig, der weiterhin von Frankfurt aus den internationalen dapd-Dienst lenkt, für ein "offenes Geheimnis". Auch bei der deutschen AP, deren Chefredakteur er war, hätten die Redakteure mehr verdient als jene beim ddp, sagt Gehrig. Die Honorare würden aber innerhalb der nächsten Jahre im Unternehmen angeglichen - "und zwar nicht von oben nach unten". Im zentralen Berliner Newsroom arbeiten 100 Journalisten. Außerdem ist der DAPD stolz auf 32 Außen-Büros in Deutschland, von denen 28 schon eröffnet sind.

Die Frage ist, wie lange Löw und Voderwühlbecke, die normalerweise marode Firmen sanieren und schnell wieder mit Gewinn verkaufen, noch Freude daran verspüren, mit der Pressefreiheit zu kokettieren. "Wir stehen auch langfristig dem DAPD zur Seite, ohne uns redaktionell einzumischen", sagte Löw bei der Feier in Berlin. Klingt so, als ob sich zwei "Heuschrecken" als Traum-Verleger entpuppten.
Sie sind: Gast | Login | Registrieren