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Zitiert: Offener Brief der Redaktion der "Berliner Zeitung"

"Sehr geehrte Herren Neven DuMont, Heinen und Sommerfeld,
sehr geehrter Herr Vorkötter,

vor rund einem Jahr hat der Verlag M. Dumont Schauberg die Berliner Zeitung gekauft – mit gutem Grund: Sie ist und bleibt auf dem großen, umkämpften Berliner Regionalmarkt die führende Abonnementzeitung mit breiter überregionaler Ausstrahlung. Die Anzeigeneinnahmen sind im vergangenen Jahr deutlich geringer gesunken als bei anderen MDS-Abotiteln und trotz Wirtschaftskrise annähernd stabil. Diese Erfolge gelangen ungeachtet eines Investitionsrückstands von vielen Jahren.

Die Qualität, die Kompetenz und die Konkurrenzfähigkeit der Berliner Zeitung beruhen wesentlich auf der Tatsache, dass sie über eine gut eingespielte Vollredaktion verfügt und die Berichte von Autoren verfasst werden, die ihre Fachgebiete ebenso wie die Lesegewohnheiten der Abonnenten kennen. Die Redaktion ruft deshalb den Verlag, namentlich den Publizistischen Beirat, sowie die Chefredaktion auf, an den bewährten Strukturen festzuhalten und sie zu sichern.

Eine Zerteilung, Auflösung oder Auslagerung von Ressorts würde die Identität der Berliner Zeitung und ihre Arbeitsfähigkeit stark beeinträchtigen. Schon der Verlust des Wissenschaftsressorts war schmerzhaft und führt in der Redaktionspraxis zu Schwierigkeiten sowie zu Kritik von Leserseite. Die so genannten Pools für Politik und Wirtschaft mit mehreren MDS-Zeitungen, wie sie trotz der Vorbehalte der gesamten Redaktion laut Medienberichten weiter in Planung sein sollen, widersprächen den Anforderungen der Tageszeitungsarbeit wie auch den Lesererwartungen und dem Redaktionsstatut. Eine striktere organisatorische Trennung zwischen „Schreibern“ und „Produzenten“ wäre sachfremd und schädlich.

In den vergangenen Wochen wurden verstärkt Texte zwischen Publikationen der MDS-Gruppe ausgetauscht. Die Syndication kann sinnvoll sein insbesondere bei regionalen Ereignissen von Allgemeininteresse, bei halbaktuellen Themen oder bei Großveranstaltungen; doch zeigen die Erfahrungen auch deutlich Probleme auf.

Unterschiedliche Themenschwerpunkte und Formate in den Redaktionen, unterschiedliche Andruckzeiten und Leserbedürfnisse setzen dem Artikelaustausch Grenzen. Werden sie missachtet, drohen Qualitätseinbußen und zusätzliche Belastungen statt der gewünschten Synergieeffekte.

Es gilt also, die Chancen des Austauschs besser zu nutzen und die aufgeworfenen Probleme zu lösen. Außerdem hofft die Redaktion auf den baldigen Abschluss einer Vergütungsvereinbarung für die Mehrfachnutzung von Texten, Grafiken oder Fotos.

Die Redaktion begrüßt unter diesen Voraussetzungen die Zusammenarbeit im Verlag über Blattgrenzen hinweg. Wir plädieren allerdings für eine Kooperation, die sowohl die Eigenständigkeit als auch die Qualität der Berliner Zeitung wahrt und stärkt – auch damit diese ihre Rolle als publizistisches Schwergewicht in der Bundeshauptstadt für die MDS-Gruppe voll ausspielen kann.

Nach Jahren des Personalabbaus, der technischen Stagnation und der Unsicherheit braucht die Berliner Zeitung endlich Investitionen in Köpfe, Arbeitsmittel und journalistischen Nachwuchs. Dazu gehören der Ausbau des online-Auftritts und seine engere Anbindung ans gedruckte Blatt ebenso wie die Ausbildung einer ausreichenden Zahl von Volontären.

Alle Veränderungen sollten unseres Erachtens im Einvernehmen und in Zusammenarbeit mit der Redaktion erfolgen, weil dies im allseitigen Interesse liegt. Wir machen gemeinsam eine gute, erfolgreiche Zeitung, und wir machen sie gern. Und wir wollen, dass das so bleibt."


Wortlaut eines Offenes Briefes der Redaktion der Berliner Zeitung an den Publizistischen Beirat des Verlags DuMont Schauberg und an die Chefredaktion der Blattes.
Zuletzt bearbeitet 14.01.2010 19:23 Uhr
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