Zitiert: Spiegel Online, 20 Jahre Erfolg und doch ein Auslaufmodell

Man könnte es halb so schlimm finden, würden solche Formen nur beim Boulevard-Ressort „Panorama“ eingesetzt. Aber Spiegel Online hat die Erzählformen und Lesergewinnungstricks der Klatschpresse auf alle Ressorts übertragen. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenfalls in dieser Woche beim Digitalgipfel der Regierung das Wort „Festnetz“ nicht gleich einfiel, dominierte das bei Spiegel Online die politische Berichterstattung: Aufregung produzieren, über die Aufregung berichten, über diejenigen berichten, die die Aufregung kommentieren. [...] Bei Spiegel-Online muss eine Redaktion, die Premium-Journalismus zu liefern vermag, ständig Anleihen beim Lowcost-Journalismus nehmen, um den Werbekunden die nötigen Klick-Frequenzen liefern zu können.

Womit wir bei dem wirtschaftlichen Erfolg von Spiegel-Online wären. Der ist, wie erwähnt, erstaunlich. Andererseits ist er zur Falle für den Verlag geworden. Denn mit dem, was Spiegel-Online in den Online-Werbemärkten für seine Anzeigenplätze erlöst, lässt sich zwar noch eine ordentliche Rendite in der Gegenwart erwirtschaften, aber kaum Wachstum in Zukunft. [,,,] Was fehlt, und nicht nur dem Spiegel-Verlag, ist aber ein Geschäftsmodell für Premium-Journalismus in einer weitgehend digitalisierten Welt. Andere Verlage können sich aber zumindest ein wenig mehr Herumprobieren leisten als der Spiegel-Verlag, der mit seiner dünnen Kapitaldecke und seinem komplizierten Hauptgesellschafter Mitarbeiter KG auf Dauer vermeiden muss, dass er zum Übernahmekandidaten wird.


Lutz Meier glaubt in seinem Medienblog bei Stern.de, dass Spiegel Online mit Umsätzen von 35 Millionen Euro und kolportierten über zehn Prozent Rendite "wahrscheinlich das erfolgreichste digitale Journalismus-Angebot in Europa" ist, aber doch sowohl journalistisch als auch wirtschaftlich ein Auslaufmodell ist. Fragt sich übrigens, wie dann die Zukunfts-Prognose für Stern.de ausfällt.
Zuletzt bearbeitet 26.10.2014 10:59 Uhr