Zitiert: Amoklaufende Medien in Winnenden

Jochen Kalka ist Chefredakteur der Branchenzeitschrift Werben&Verkaufen und in Winnenden zu Hause. In drei Artikeln hat Kalka über die Medienberichterstattung vom sogenannten Amoklauf eines 17-jährigen Jugendlichen geschrieben. Kalka wirft den Kollegen nicht nur handwerkliche Fehler und Sensationsgier vor, sondern kreidet ihnen auch an, den Mörder, der 15 Menschen umbrachte und sich anschließend auf der Flucht selbst tötete, zum Opfer der Gesellschaft und von Computerspielen zu stilisieren. Zitate aus Kalkas Texten:

"Ein Medium wurde von den Schülern so gut wie nicht genutzt: Twittern. Wer twitterte, waren die Medien selbst. Und sie verbreiteten Falschmeldungen um die Wette – immerhin in Echtzeit. [...] Am Abend musste eine tote Schülerin wieder zum Leben erweckt werden.

Dafür toben sich die Schüler am Nachmittag über ihre Portale aus, von You Tube über Schüler VZ bis zu Facebook. Den größten Zulauf aber dürfte das Regionalportal Kwick.de haben, das im Rems-Murr-Kreis beheimatet ist. [...] Bei Kwick.de war auch der Mörder Tim angemeldet. Sein Profil wurde noch gestern gelöscht. Heute schreibt Kwick an seine Mitglieder: 'Bitte tut uns den großen Gefallen zum Schutz der Familien, keine Daten wie Namen, Profilnamen oder Adressen des Täters oder der Opfer zu veröffentlichen und nehmt damit Rücksicht auf die Familien, Angehörige und Freunde. DANKE! PS: Bitte gebt hier keine Infos preis auch wenn ihr den Amokläufer oder Opfer gekannt habt. Hier sind massig Zeitungsredakteure unterwegs, die nach Informationen huschen und sich extra Pofile eingerichtet haben. Bleibt sachlich bei der Diskussion an sich.'

In Winnenden brach die Berichterstattung viele Grenzen: Um die erste Beerdigung am vergangenen Wochenende filmen zu können, was die Angehörigen ausdrücklich verboten haben, kletterten die Filmteams an der Friedhofsmauer auf Leitern. Andere mieteten sich für die nächsten Tage in gegenüberliegenden Privathäusern ein, um keine Beerdigung zu verpassen.

Schülern wurde gegen Cash diktiert, was sie vor laufender Kamera sagen sollten. Auch der Satz 'Tim wurde von seinen Mitschülern gemobbt', soll gekaufte Filmware gewesen sein.

Die Polizei organisiert sich immer besser, wenn es um Anschläge und Terror geht. Auch Schulen führen schulübergreifend Krisenpräventionsprogramme durch. Es wird höchste Zeit, dass sich auch Medien übergreifend zusammentun, um sich bei Krisen, Terror und auch Amokläufen besser abstimmen zu können."