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Roland Kochs Erbe: Neue Räte braucht das ZDF

Man schrieb das Jahr 2009, als der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) mit seinen schwarzen Freunden einfach mal befand, den Vertrag von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender nicht zu verlängern. Fünf Jahre später hat das Bundesverfassungsgericht nun eine Antwort auf diesen Polit-Dirigismus gesprochen: In den beiden ZDF-Aufsichtsgremien Fernsehrat und Verwaltungsrat muss der Anteil der Parteipolitiker auf ein Drittel heruntergefahren werden, bisher sind es allein im Fernsehrat 44 Prozent (34 von 77 Mitgliedern). Zudem sei den Gremien "ein Mindestmaß an Transparenz" zuzumuten, forderten die Richter.

Die derzeitige Ausgestaltung des ZDF-Staatsvertrags erklärte Karlsruhe für in wesentlichen Teilen Grundgesetz-widrig; das Gebot der Vielfaltsicherung sei nicht erfüllt, Staatsferne nicht gewährleistet. Es ist ein vernichtendes Urteil, das nicht überraschend kommt. Dass es überhaupt kommt, ist den SPD-regierten Bundesländern Rheinland-Pfalz und Hamburg zu verdanken, die nach der Machtprobe um Brender eine Normenkontrollklage eingereicht hatten.

Nicht überraschend kommt das Urteil auch deshalb, weil das Bundesverfassungsgericht schon in der Vergangenheit das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem und seine Unabhängigkeit gestärkt hat; Kritiker meinen sogar, so sehr gestärkt, dass ARD und ZDF - das ZDF-Urteil wird auch für die Rundfunkräte der ARD-Anstalten Konsequenzen haben, ohnehin auf das ebenfalls bundesweit aufgestellte Deutschlandradio - dank des Karlsruher Bestandsschutzes ungehindert expandieren konnten.

Die Politiker, ausgerechnet sie, sind nun gefordert, den Spruch in einen neuen, rechtskonformen Staatsvertrag zu gießen. Bis 30. Juni 2015 gibt ihnen das Bundesverfassungsgericht dafür Zeit. In den Räten werden dann wohl neue Gesichter auftauchen - laut Urteil "Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens". Wie diese Forderung ausgestaltet wird? Gut möglich, dass da ein neues Posten-Geschachere ansteht. Warum sind etwa als Kirchenvertreter zwei Katholiken und Protestanten, aber nur ein Vertreter der jüdischen Gemeinde und keine andere religiöse Gruppierungen vertreten?

Ohnehin kann kein Karlsruher Richter verbieten, dass weiterhin Interessen ausgekungelt werden und sich am Ende wieder rote, schwarze oder andere Freundeskreise bilden. Das Karlsruher Urteil wird den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, so wie er ist, kaum verändern.

Die Leitsätze der Karlsruher Entscheidung:
Die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG am Gebot der Vielfaltsicherung auszurichten. Danach sind Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens einzubeziehen.
a) Der Gesetzgeber hat dafür zu sorgen, dass bei der Bestellung der Mitglieder dieser Gremien möglichst unterschiedliche Gruppen und dabei neben großen, das öffentliche Leben bestimmenden Verbänden untereinander wechselnd auch kleinere Gruppierungen Berücksichtigung finden und auch nicht kohärent organisierte Perspektiven abgebildet werden.
b) Zur Vielfaltsicherung kann der Gesetzgeber neben Mitgliedern, die von gesellschaftlichen Gruppen entsandt werden, auch Angehörige der verschiedenen staatlichen Ebenen einbeziehen.

Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss als Ausdruck des Gebots der Vielfaltsicherung dem Gebot der Staatsferne genügen. Danach ist der Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Aufsichtsgremien konsequent zu begrenzen.
a) Der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder darf insgesamt ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen.
b) Für die weiteren Mitglieder ist die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konsequent staatsfern auszugestalten. Vertreter der Exekutive dürfen auf die Auswahl der staatsfernen Mitglieder keinen bestimmenden Einfluss haben; der Gesetzgeber hat für sie Inkompatibilitätsregelungen zu schaffen, die ihre Staatsferne in persönlicher Hinsicht gewährleisten.
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