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Rettet den deutschen Zeitungs-Wald

Besorgter Minister: Bernd Neumann
Foto: Tajuba/Wikipedia
Besorgter Minister: Bernd Neumann
Foto: Tajuba/Wikipedia
Vor 20 Jahren sollte der deutsche Wald gerettet werden. Nun kommt ein spezieller Zweig der holzverarbeitenden Industrie auf die Liste der bedrohten Gattungen: die Printmedien. Mit Pressemitteilung Nr. 97 hat Kulturstaatsminister Bernd Neumann eine "Nationale Initiative Printmedien – Zeitungen und Zeitschriften in der Demokratie" ausgerufen.

Politische Leitmedien
"Trotz zunehmender Konkurrenz in elektronischer Form bleiben Zeitungen und Zeitschriften auch künftig politische Leitmedien", lässt sich der Minister zitieren. Tatsächlich aber befindet sich die Print-Branche in einem langfristigen Abwärtstrend, der durch das Internet nur noch verschärft worden ist. Neumann: "Ich sehe dies in direktem Zusammenhang zu sinkender Lesefähigkeit und zurückgehendem Interesse an gesellschaftspolitischen Fragen."

Um dem allgemeinen Kulturverfall entgegenzuwirken, will Neumann am 17. April im Bundeskanzleramt den offiziellen Startschuss für die Initiative geben. Schon freut sich die Frankfurter Rundschau: "Gut 400 Jahre nach Erscheinen der ersten Zeitungen in deutschen Landen bekommt Print eine bundesweit agierende Lobby." Stichwort Lobby: Bei der Initiative sitzen alle Betroffenen im Boot - von Verleger- und Journalistenverbänden bis zu den Grossisten. Auch die Bundeszentrale für Politische Bildung wurde verpflichtet.

Nur durch das gedruckte Wort zu bewahren
Viel zu hören ist im Vorfeld denn auch von heren gesellschaftspolitischen Zielen ("Der Initiative geht es darum, Kindern und Jugendlichen den Wert von Zeitungen und Zeitschriften als politische Leitmedien zu vermitteln und das Bewusstsein für die Bedeutung einer freiheitlichen Medienordnung für die Demokratie zu wecken"). Erstaunlich wenig vernimmt man dagegen von den Chancen der neuen digitalen Medien. Die Demokratie, so scheint's, ist nur durch das gedruckte Wort zu bewahren.

Das ist umso überraschender, da auch die Printverleger längst ins Internet drängen und bei anderer Gelegenheit gerne ihre neu gewonnene Online-Kompetenz zur Schau tragen. Auffällig ist allerdings auch, dass das Gros der Verlage mit ihren Online-Marken keine publizistischen Höchstleistungen vollbringt. Und nach wie vor darf Online-Journalismus am liebsten möglichst wenig kosten. So bedeutet Journalismus immer noch zu allererst Print-Journalismus.

Selffulfilling prophecy
Kein Wunder, sondern selffulfilling prophecy ist deshalb Neumanns Postulat: "Wer sich ver­lässlich und vielseitig über die wesentlichen politischen und gesellschaftlichen Debatten in­formieren und an der öffentlichen Kommunikation teilhaben möchte, bleibt auf das gedruckte Wort angewiesen." Die Branche hört's gerne. Aber an der Zukunft zielen solch weihevolle Statements vorbei.

Das Waldsterben mag ja ein Zeitungs-Klischee gewesen sein - das Zeitungssterben ist Realität. Jetzt haben wir also eine Initiative, die im Kanzleramt geerdete Trauerarbeit leistet. Das ist würdig und recht, aber es führt zu nichts. Ach so: Weitere Informationen finden Sie in Kürze - die Pressemitteilung Nr. 97 verrät auch dies - wo? Natürlich im Internet unter www.kulturstaatsminister.de/. Das ist bitter.
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