Online ist schuld: Presserat steht Beschwerde-Rekord ins Haus

Vor einem Jahr hat der Deutsche Presserat die Erweiterung seines Zuständigkeitsbereich auf die Online-Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften beschlossen. In seiner Jahresbilanz vermeldet das freiwillige Selbstkontrollorgan nun einen neuen Beschwerde-Rekord: Seit Anfang des Jahres seien schon 1.030 Beschwerden über Berichte in Print- und/oder Online-Ausgaben eingegangen. Bis Jahresende wird mit 1.200 Eingaben gerechnet. Zum Vergleich: Im Vorjahr erreichten den Presserat 729 Beschwerden.

Der starke Anstieg überrascht, da Online-Leser auf vielen Websites ihrem Unmut in Kommentaren direkt Luft machen können, statt sich an eine dritte Stelle zu wenden. Zudem stehen die alten Medien mehr denn je unter Kontrolle von Watch-Blogs und anderen Online-Publikationen und Foren. Allerdings wird auch immer wieder kritisch angemerkt, dass Zeitungs-Websites Berichtigungen und andere Kommentare ihrer Leser schlichtweg ignorieren - oder gänzlich löschen.

Streitfall Leserkommentare
Laut Presserat ist die "Nichtveröffentlichung von Leserkommentaren/Forenbeiträgen" jedenfalls "regelmäßig Gegenstand von Beschwerden". 261 Eingaben des laufenden Rekord-Jahrgangs wurden bereits bearbeitet. Dabei habe der Beschwerdeausschuss "in Einzelfällen" die Entfernung von Kommentaren für zulässig gehalten, "solange die Löschung seitens der Redaktion nicht willkürlich erfolgte". Bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und Ehrverletzungen sei es sogar unerlässlich, dass der Forenbetreiber eingreift.

Mit seiner Zuständigkeitserweiterung - als Selbstkontrollorgan kann der Presserat seine Aufgaben selbst definieren - sieht sich das von Verlegern und Journalisten-Verbänden getragene Gremium überdies erstmals auch für bewegte Bilder zuständig, die in den Online-Ausgaben von Printmedien erscheinen. Neu ist für den Presserat auch die Beschäftigung mit Bilderstrecken und 3D-Animationen. Erstmals können Beschwerden auch direkt auf der Website eingereicht werden.

Nicht neu ist dagegen, dass die Bild-Zeitung auch online den meisten Anstoß erregt. Bereits fünf Rügen - darunter vier öffentliche, die schwerste Sanktion beim Presserat - wurden in diesem Jahr gegen die Online-Berichterstattung des Boulevard-Mediums verhängt.