Olympia: gebremste Spiele im Internet

Wegen des Zeitunterschiedes zwischen Australien und Europa (acht Stunden MEZ) bzw. den USA (15 Stunden Ostküstenzeit) hätten die Olympischen Spiele 2000 in Sydney das Zeug zu wahren "Internet-Spielen" gehabt. Doch das vom Internationalen Olympischen Komitee verhängte Verbot für Video- und Audio-Übertragungen im Web hat ebenso wie die Ablehnung, Online-Journalisten zu akkreditieren, diesen Durchbruch verhindert. Zwar wurden neue Rekord-Zugriffszahlen gemeldet, aber die Internet-Berichterstattung blieb insgesamt unter ihren Möglichkeiten.

Weitgehend unbeachtet wurde ausgerechnet einem deutschen Online-Medium doch eine Vollakkreditierung beschert. Die Netzeitung startete bereits vor ihrem offiziellen Launch im November mit einer Eigenberichterstattung aus Sydney. Von den beiden Redakteuren vor Ort hatte allerdings nur einer die "E"-Akkreditierung für schreibende Journalisten, die den Zutritt zu allen Pressebereichen der Olympiastätten ermöglicht. Beide hatten sich zuvor mit dem deutschen NOK, dass gemeinsam mit dem Sportjournalistenverband VDS über die nationalen Akkreditierungen entscheidet, erfolgreich ins Benehmen gesetzt.

Ablehnungen von Akkreditierungen sind bei Olympischen Spielen durchaus nicht unüblich. Weil die Zahl der Berichterstatter jegliche Dimensionen sprengt - in Sydney kamen auf einen Sportler zwei Medienleute -, verhängt das IOC seit Jahren Länderquoten. In Deutschland beispielsweise übersteigt die Nachfrage regelmäßig das Angebot. Online-Medien sind da bislang nur ein Tropfen auf den heißen Stein – so sie sich überhaupt um Plätze bemühen, denn bislang haben sich die Informations-Websites hier zu Lande noch nicht mit nennenswerten journalistischen Eigenleistungen hervorgetan.

In den USA liegen die Dinge anders. Audio- und Video-Clips gehören längst zum Angebot jeder großen News-Website, und selbst bei einer ehrwürdigen Zeitung wie der New York Times dürfen sich die Schreiber nicht mehr zu schade sein, Web-Updates zu liefern. Aus Sydney war die Times online bei wichtigen Geschichten beinahe so schnell wie die Agenturen.

Das Web spielte gerade in den USA bei der Olympia-Berichterstattung eine besondere Rolle, weil der TV-Network NBC auf Live-Überragungen verzichtete, um sein Olympiaprogramm mit bis zu eineinhalb Tagen Verspätung in der Prime time auszuschlachten – kein Wunder, galt es doch, 705 Millionen US-Dollar Lizenzgebühren für Sydney als Teil eines bis 2008 laufenden 3,5-Milliarden-Paketes zu refinanzieren.

Zwar wurde NBCs Olympia-Website laut Media Metrix in der ersten Woche der Spiele täglich von 544.000 Besuchern angesteuert und übertraf damit die offizielle Sydney-Website Olympics.com (416.000) deutlich, aber die Berichterstattung der Sender-Website in Co-Produktion mit Quokka-Sports war von mäßigem Niveau und konnte lediglich auf Fernseh-Standbilder zurückgreifen. Bewegte Bilder via Internet übertrug NBC lediglich in einem Breitband-Feldversuch.

Während die Seitenabrufe im Web trotz der Einschränkungen neue olympische Gipfel ereichten, erlitten die Einschaltquoten des NBC-Fernsehprogramms drastische Einbrüche. Mit durchschnittlich 24 Prozent Marktanteil und 13,8 Rating-Punkten zur Prime time (ein Punkt repräsentiert rund 1,1 Millionen US-Fernsehhaushalte) lag NBC um 36 Prozent unter dem Ergebnis von Atlanta 1996 und musste seine Werbepartner, die für insgesamt 900 Millionen Dollar Werbezeit gebucht hatten, mit zusätzlichen "Make good ads" kompensieren.

Der Schutz der hochdotierten Fernsehverträge ist auch der Grund dafür, dass das IOC sich bislang gegen das Internet sperrt. Schon die bei analogen Modemverbindungen qualitativ kaum ernst zu nehmenden Video-Streams werden als Gefahr angesehen. Die TV-Anstalten sind die größten Geldgeber Olympias: allein für Sydney flossen weltweit 1,331 Milliarden Dollar. Das IOC vergibt die Fernsehrechte nach Ländern und Territorien – ein Prinzip, dass durch das grenzüberschreitende Internet ad absurdum geführt wird.

Strategien für die Zukunft will das IOC auf einer eigens einberufenen Internet-Konferenz im Dezember in Lausanne diskutieren. Branchenkenner schätzen, dass für die Sommerspiele 2004 in Athen drei bis fünf Millionen Dollar durch den Verkauf von Internet-Rechten erlöst werden könnten. Doch werden die Herren der Ringe wohl so lange wie möglich das Primat des Fernsehens verteidigen: Schließlich umfassen die Verträge, die nicht nur mit NBC, sondern auch mit der europäischen EBU und anderen TV-Organisationen geschlossen wurden, noch die Winterspiele 2002 und 2006 sowie die Sommerspiele 2004 und 2008.
Zuletzt bearbeitet 05.10.2000 11:56 Uhr