Karlsruhe kippt Vorratsdatenspeicherung, aber nur in der derzeitigen Form

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die seit 2008 gesetzlich vorgeschriebene Speicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten für unzulässig erklärt - allerdings nur in der derzeitigen Form. Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung war in Deutschland auf der Grundlage einer EU-Richtlinie zur Kriminalitätsbegrenzung eingeführt worden, an deren Zulässigkeit die Verfassungsrichter nicht rüttelten. Die deutsche Umsetzung durch die große Koalition sei dagegen nicht mit dem im Grundgesetz festgeschriebenen Telekommunikationsgeheimnis vereinbar - ein Armutszeugnis für den Gesetzgeber (1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08).

Nach Karlruher Ansicht sorgt das Gesetz weder für ausreichende Datensicherheit noch für eine hinreichende Begrenzung der Verwendungszwecke der Daten. Außerdem fehle es an Transparenz: Zumindest im Nachhinein müssen Betroffene über die Verwendung ihrer Daten benachrichtigt werden. Schließlich müsse die Übermittlung und Nutzung der gespeicherten Daten grundsätzlich richterlich genehmigt werden. Betroffene müssen die Möglichkeit haben, sich auch nachträglich gegen die Verwendung ihrer Daten zur Wehr zu setzen.

Nicht vom Tisch
Karlsruhe hat damit die Paragrafen 113a und 113b im Telekommunikationsgesetz sowie Paragraf 100g Absatz 1, Satz 1 in der Strafprozessordung für nichtig erklärt. Die gesammelten Daten müssen sofort gelöscht werden. Die Vorratsdatenspeicherung ist damit aber nicht vom Tisch. Zwar halten die Richter die sechsmonatige Datensammlung und den Zugriff darauf für einen "besonders schweren Eingriff mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt", und machen ausdrücklich auf die Missbrauchsmöglichkeiten aufmerksam. Dennoch sei eine Speicherungspflicht im vorgesehenen Umfang "nicht von vornherein schlechthin verfassungswidrig".

Für Datenschützer und Netzaktivisten ist das ein zwiespältiges Urteil. Fast 35.000 Bürger hatten gegen die Vorratsdatenspeicherung geklagt, darunter auch die heutige Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­rin Sa­bi­ne Leu­theus­ser-Schnar­ren­ber­ger. Die FDP-Politikerin sprach nun von einem "herausragenden Tag für die Grundrechte und den Datenschutz" und kündigte an: "Nach der heutigen Entscheidung kann und wird es keinen nationalen Schnellschuss geben." Der Deutsche Journalisten-Verband begrüßte das Urteil: "Der Informantenschutz hat gesiegt, die Pressefreiheit hat dazu gewonnen."