Es wird ernst für das neue Urhebervertragsrecht

Unter heftigem Störfeuer von Verwerterseite soll das neue Urhebervertragsrecht in dieser Woche den Bundestag passieren. Nachdem der Gesetzesentwurf bereits am 23. Februar auf der Tagesordnung des Rechtsausschusses steht, könnte das Parlament zwei Tage später in zweiter und dritter Lesung die von Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin geplante Reform verabschieden.

Das neue Recht soll freiberuflichen Urhebern - Journalisten, Autoren und Künstlern - bei Verhandlungen in Augenhöhe mit den Verwertern bringen und ihnen gerichtlich einklagbare Honorarstandards garantieren. Nach Ansicht der Journalistenverbände und auch der Ministerin werden die Freiberufler damit sozial besser gestellt; nach den Zahlen des DJV etwa verdienten freie Journalisten 1998 durchschnittlich nur 3.600 Mark brutto im Monat. Wer die Zeilenhonorare kennt, mit denen viele Zeitungen ihre freien Schreiber zu Billigmeiern und Hobbyisten abstempeln, wer sich an die Auseinandersetzungen darüber erinnert, wie große Verlagshäuser Fotos und Texte elektronisch oder im Internet recyclen und Honorarnachforderungen für Mehrfachverwertung unter der Androhung, die Geschäftsbeziehung zu beenden, arrogant vom Tisch wischen, der kann den Ruf nach Regelungsbedarf nachvollziehen.

Die Medienwirtschaft macht hingegen in seltener Einigkeit mit einer aufwändigen Werbekampagne gegen das geplante Vertragsrecht Front. Neben dem Recht auf "angemessene Honorare" - ein Terminus, der nach Verwerter-Protesten durch das Wort "übliche Honorare " ersetzt wurde - ist ihr vor allem die sogenannte "Rückgriffshaftung" ein Dorn im Auge, die den Urhebern Honorarnachforderungen in der gesamten Verwerterkette ermöglicht. Hat also ein Verlag Zweitrechte für den Abdruck eines Textes erworben, so könnte er dank des neuen Gesetzes im Nachhinein vom Autor erneut zur Kasse gebeten werden, auch wenn er zuvor nie mit diesem verhandelt, sondern die Rechte vom Erstverwerter erworben hat. Kleinen Verlagen oder Agenturen drohen aus einem solchen Schneeballeffekt tatsächlich "unübersehbaren rechtliche und wirtschaftliche Risiken", wie die Industrie in ihren Verlautbarungen unkt.

In ihrer jüngsten Stellungnahme werfen die Verwerter der Ministerin vor, unmittelbar vor der geplanten Verabschiedung "überraschend tiefgreifende, bis in die Systematik des Gesetzes reichende Veränderungen vorgenommen" zu haben und damit einen Schritt hinter den im vergangenen November erreichten Diskussionsstand zurückgegangen zu sein. "Wir sind wieder ganz am Anfang der Diskussion, nämlich bei der fehlenden Planungssicherheit für die Unternehmen", heißt es in einem Statement der Verwerter, die in der Vergangenheit auch rechtliche Gutachten gegen das von ihnen unerwünschte Gesetz mobilisiert haben. So lautete ein Argument, die angestrebten Honorarregelungen verstießen gegen die Vertragsfreiheit. Eine gute Ressource im Internet nicht nur, aber gerade auch für die juristische Komponente bietet im Übrigen die Website Urheberrecht.org.

Nicht nur Wirtschaftslobbyisten üben Kritik an dem Gesetzesentwurf. So wird zwar weithin der gute Wille der Justizministerin anerkannt, etwas für die Freien zu tun, jedoch immer wieder in Frage gestellt, ob ein allgemeines Gesetz den unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Medienbereichen gerecht werden kann. Hat ein Fernsehautor tatsächlich die gleichen Honorarsorgen wie ein freier Lokaljournalist? Wohl kaum. Vielleicht würde er sich über eine "übliche" Entlohnung sogar mokieren. Dass Däubler-Gmelin wie schon mit anderen Reformprojekten, die sie in ihrer Amtszeit angepackt hat, über das Ziel hinausgeschossen sei, ist ein politischer Vorwurf, der die rege Sozialdemokratin trifft, nachdem sich "Hauruck-Herta", wie die konservative FAZ gerade erst spottete, "warm reformiert" hat.

Selbst wenn das Gesetz wie geplant durch den Bundestag geht, bläst ihm schon wieder eine steife Brise im Bundesrat entgegen. Die SPD-regierten Länder Niedersachsen, NRW und Rheinland-Pfalz wollen dem Urhebervertragsrecht in der derzeitigen Form nicht zustimmen. Im Bundesrat ist das Gesetz zwar nicht zustimmungspflichtig, aber es müsste in den Vermittlungsausschuss, wenn eine Zwei-Drittel-Mehrheit verfehlt wird. Aufgeschoben hieße in diesem Fall wahrscheinlich aufgehoben - jedenfalls für diese Legislaturperiode.
Zuletzt bearbeitet 22.01.2002 16:45 Uhr