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Digital First: Der "Guardian" schichtet um, kann aber noch nicht ohne Print

Immer neu: Guardian-Website
Foto: Netzpresse [M]
Immer neu: Guardian-Website
Foto: Netzpresse [M]
Die britische Tageszeitung The Guardian hat eine neue Zukunfts-Strategie: Digital First. Und dahinter soll sich mehr verbergen als nur ein Slogan. "Wir sagen nicht nur aus redaktioneller Sicht, dass wir unsere Geschichten zuerst im Web publizieren. Es geht vielmehr darum, wie wir mit unseren Ressourcen in Zukunft neue Prioritäten setzen", sagte Chefredakteur Alan Rusbridger dem Mediendienst Gigaom.

Offener Journalismus
Der Verlag will verstärkt in mobile Angebote investieren und mit seiner Dependance in New York auf dem US-Markt expandieren, um die eigene Werbereichweite auszubauen. Die Print-Ausgabe soll dagegen weniger News-lastig werden und wird wohl ab dem kommenden Jahr weniger Umfang enthalten. Damit, so Rusbridger, reagiere man auf "unumkehrbare Trends im Medienkonsum".

Auf den zweiten Blick klingt "Digital First" dann doch nicht so revolutionär, jedenfalls nicht beim Guardian. Der verfügt ohnehin schon über eine der im internationalen Vergleich besten und aufwändigsten News-Websites und startete überdies im vergangenen Jahr seine Open Platform: Über ein API lassen sich die Inhalte von außen anzapfen. Auch in Zukunft sei man einem offenen, im Web vernetzten Journalismus verpflichtet, teilte der Verlag mit. Paywall-Plänen hatte der Guardian hingegen immer eine Absage erteilt.

Innovativ mit roten Zahlen
So innovativ und "social" sich die Londoner Zeitung im Medienwandel auch gibt, sie schreibt seit Jahren rote Zahlen und muss eine (noch) 630-köpfige Redaktion unterhalten. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass die zukunftsträchtige Ankündigung ausgerechnet zu einem Zeitpunkt kommt, da der Guardian und sein Sonntagsblatt Observer wieder einmal Verluste bilanzieren müssen: Nach vorläufigen Zahlen machte der Verlag im vergangenen Jahr 33 Millionen Pfund Verlust, die Einnahmen sanken von 221 Millionen auf 198 Millionen Pfund.

Wenn es so weitergeht, warnte CEO Andrew Miller auf einer Belegschafts-Versammlung, dann könnte dem von einer Stiftung gestützten Verlag in drei bis fünf Jahren das Geld ausgehen. Ohnehin gehen die geplanten digitalen Investitionen auf Kosten der gedruckten Zeitung. Ohne Print geht es aber auch nicht: Trotz schrumpfendem Anzeigengeschäft verdient der "holzmediale" Guardian immer noch das allermeiste Geld. Da wird es auch nicht ausreichen, dass CEO Miller die digitalen Einnahmen verdoppeln möchte - von 46 Millionen Pfund im laufenden Wirtschaftsjahr auf 91 Millionen Pfund in fünf Jahren.
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