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Die Frankfurter Rundschau wird zum Sozialfall des Zeitungs-Journalismus

Ausgerechnet am 1. April haben die Eigentümer der Frankfurter Rundschau mit Mehrheitsgesellschafter DuMont Schauberg an der Spitze ihren Mitarbeitern einen Sanierungsplan präsentiert, der die vorab geäußerten Befürchtungen mühelos übertrifft und kurz vor der publizistischen Selbstaufgabe Halt macht. Nicht nur wird der überregionale Teil der FR vom Sommer an wie bereits gemeldet aus Berlin kommen. Insgesamt sollen sogar 88 von 190 Stellen in der Redaktion abgebaut werden. Unter dem Strich fallen nach Verlagsangaben aber "nur" 44 Arbeitsplätze weg, da im Zuge der Umstrukturie­rung auch neue Arbeitsplätze geschaffen würden.

Zwei-Klassen-Gesellschaft
Ganz seriös ist diese Aufrechnung nicht, da es bei der FR - auch bisher schon - Redakteure erster und zweiter Klasse gab. In Zukunft aber wird die erste Klasse noch stärker schrumpfen: Der DJV rechnet vor, dass von 115 direkt beim Verlag angestellten Redakteuren nur noch 41 übrig bleiben werden. Die gekündigten Redakteure, denen zuvor Abfindungen angeboten werden, können sich zwar für die DuMont-Redaktionsgemeinschaft in Berlin bewerben, in der in Zukunft nicht nur Autoren, sondern auch Blattmacher sitzen werden - dort sind aber nur 23 Stellen zu vergeben.

Im Rhein-Main-Raum werden die Außenredaktionen nach Gewerkschaftsangaben geschlossen. Eine Leiharbeitsfirma mit - je nach Darstellung - 28 oder 29 Stellen wird ebenfalls aufgegeben. Statt dessen soll die Berichterstattung aus der Region an externe Dienstleister ausgelagert werden. Die Gewerkschaften werfen der FR - zweitgrößter Gesellschafter ist ausgerechnet die SPD-Medienholding ddvg - nun Tarifflucht vor.

Offenbar als Bonbon hat der Verlag versprochen, die digitalen Inhalte - auch für das Schwesterblatt Berliner Zeitung - künftig zentral in Frankfurt produzieren zu lassen. 30 Stellen unter der Leitung des bisherigen FR-Chefredakteurs Rouven Schellenberger sind vorgesehen. Das sei ein "Bereich mit hohem Zukunftspotenzial" und ist auch sinnvoll, da die FR eine viel gelobte iPad-App entwickelt hat und die Berliner Website bislang in erster Linie Print-Artikel archiviert.

Nicht nur im Digitalen verschmelzen beide Blätter. Sie bekommen nun auch eine Chefredaktion mit Uwe Vorkötter als erstem Mann, Brigitte Fehler als Chefin der Redaktionsgemeinschaft und eben Schellenberger. Joachim Frank, bisher ebenfalls FR-Chef, wird künftig als Chef-Korrespondent figurieren.

"Das meinen wir ernst"
Alternativen zu diesem "radikalen Kahlschlag" (Ver.di) gab es aus Eigentümer-Sicht nicht. Auch 2010 schreibe die FR wieder rote Zahlen - 19 Millionen Euro Verlust. Doch der Schock im eigenen Hause und die Reaktionen der Branche signalisieren, dass die traditionsreiche, linke und überregionale FR, deren Auflage stetig gesunken und deren Profil wohl auch verblasst ist, an diesem "schwarzen Freitag" (DJV) wenn auch nicht eingestellt, so doch zum Sozialfall des Zeitungs-Journalismus in Deutschland geworden ist.

Nur Alfred Neven DuMont sieht das anders.

Man wolle "nicht nur die Zeitung am Leben erhalten, sondern die Qualität wie gewohnt aufrechterhalten. Das meinen wir ernst", schreibt der Altverleger. "Obwohl bereits heute einige andere Zeitungen den Konkurrenten Frankfurter Rundschau, ohne die neue Fassung gesehen zu haben, ins zweite Glied versetzt wissen möchten. Die Realität wird sie eines besseren belehren."
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