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Der Spion und die Kaufzeitung, die ein Gratisblatt wurde

Über 180 Jahre alt musste der Londoner Evening Standard werden, um in seinem langen Zeitungsleben in schneller Folge zwei einschneidende Neuerungen zu erleben: Im Februar erwarb der russische Milliardär und Ex-Spion Alexander Lebedew die Mehrheit an dem defizitären Titel, und seit 12. Oktober ist das 50-Pence-Blatt kostenlos zu haben.

Mit den anderen Gratiszeitungen, die in den letzten Jahren an seiner Auflage nagten, will der Standard allerdings nicht zu tun haben. "Wir versprechen, eine Qualitätszeitung zu bleiben, ein Blatt, das unverwechselbare Kommentare und Analysen schätzt", schreibt Chefredakteur Geordie Greig. Das Blatt soll weiterhin in voller Redaktionsstärke und mit seinen bekannten Kolumnisten gemacht werden.

Fluchtversuch aus der Zeitungskrise
Boulevard-Qualität, die nichts kostet? Der Wechsel von der Kaufzeitung zum Gratisblatt ist eine ungewöhnliche Flucht aus der Zeitungskrise, die auch schief gehen kann. Über Erfolg oder Misserfolg wird entscheiden, wie der Reichweiten-Gewinn - die Auflage steigt von 250.000 auf 600.000 Exemplare - von den Anzeigenkunden honoriert wird.

Verkauft hatte der Standard zuletzt nur noch 130.000 Exemplare. Die Werbeeinnahmen müssen künftig nicht nur die ausbleibenden Vertriebserlöse - laut Guardian jährlich zwölf Millionen Pfund - kompensieren, sondern unter dem Strich wieder schwarze Zahlen produzieren.

Auf den ersten Blick schadet es da nicht, das ein großer Konkurrent wieder vom Markt verschwunden ist. Am 18. September erschien das Murdoch-Gratisblatt mit dem internettigen Titel thelondonpaper zum letzten Mal. Grund für die Schließung waren ausgerechnet die gesunkenen Anzeigeneinnahmen, die Verluste von 12,9 Millionen Pfund produziert hatten, obwohl das 500.000-fach verteilte Pendlerblatt viel niedrigere redaktionelle Kosten hatte. Das lässt für den Evening Standard nicht unbedingt hoffen.
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