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Berliner Zeitungskrieg um die Ministererlaubnis

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Je näher die Entscheidung über die vom Holtzbrinck-Verlag beantragte Ministererlaubnis zur Übernahme des Berliner Verlages rückt, umso härtere Bandagen legen die Konkurrenten an. Jetzt hat der Axel-Springer-Verlag mit der Einstellung seiner Blätter Berliner Morgenpost und Die Welt gedroht, sollte es Holtzbrinck erlaubt werden, den Tagesspiegel und die Berliner Zeitung gemeinsam zu betreiben und damit, wie das Bundeskartellamt und zuletzt auch die Monopolkommission befunden haben, eine marktbeherrschende Stellung bei den Abo-Zeitungen in der Hauptstadt einzunehmen. Wie der Spiegel zuerst berichtete, schrieb Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner an Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, eine Zusammenlegung der beiden Konkurrenzblätter hätte "zwingend" zur Folge, dass "zunächst" die Morgenpost und letztlich auch die Welt vom Markt genommen werden müssten. Mit anderen Worten: Wird die Untersagung der Kartellbehörde revidiert, dann kostet das Arbeitsplätze. Das könnte man als Erpressungsversuch verstehen, zumal das konservatives Eliteblatt nicht erst seit heute ein Subventionsobjekt für Springer ist. Im vorvergangenen Jahr erst hatte Europas größter Zeitungskonzern die überregionale Welt redaktionell mit der lokalen Morgenpost zusammengelegt. Mit dieser Sparmaßnahme, so schreibt Döpfner nun, sei es zwar "bis zu einem gewissen Grade" gelungen, "die rückläufige Ergebnisentwicklung beider Objekte zu stabilisieren", doch würde eine Ministererlaubnis diese "Stabilisierungsbemühungen endgültig zunichte machen". Bauernopfer Tagesspiegel Eine solch weitreichende Verschmelzung ist Holtzbrinck bei Tagesspiegel und Berliner Zeitung aber verbaut. Im Gegenteil: Die Stuttgarter müssen den Tagesspiegel in eine Stiftung umwandeln, um seine redaktionelle Unabhängigkeit zu demonstrieren und damit ihre Argumentation zu stützen. Die besagt, dass beide Blätter im Sinne der Meinungsvielfalt bestehen bleiben sollen, dass dies aber wirtschaftlich nur möglich sei, wenn Verlag und Vertrieb zusammengelegt würden. Im Hintergrund lauert also auch bei Holtzbrinck die Drohung, den Laden dicht zu machen. Pikant daran ist, dass es als Bauernopfer den Tagesspiegel erwischen würde, der von Holtzbrinck als jahrelanger Verlustbringer apostrophiert wird. Da fragt man sich, warum die Stuttgarter Manager so lange zugeschaut haben, wie die Schulden angehäuft wurden, warum sie zudem das Risiko eingegangen sind, trotz der wettbewerbsrechtlichen Folgen dann auch noch die Berliner Zeitung zu erwerben. Und am Ende soll Freund Clement alles richten. Clement als überforderter Libero Als Ausputzer für Arbeitsplätze und Pluralismus wird sich Clement aber schwer tun, auch wenn seinem Haus Sympathie für die Holtzbrinck-Pläne nachgesagt wird. Denn nicht nur Springer stellt sich quer. Auch die taz, die einmal aus jener Bewegung hervorging, die Springers Enteignung forderte, sieht sich im Wettbewerbsnachteil, wenn Holtzbrinck doch noch das Placet bekäme. Ebenso wird sich die FAZ bei der Anhörung im Bundeswirtschaftsministerium am 23. April dagegen aussprechen. Der Hamburger Heinrich-Bauer-Verlag behauptete sogar, er hätte die Berliner Zeitung gerne selbst gekauft, wäre er nur von Verkäufer Gruner+Jahr vorgelassen worden, um ein Angebot abzugeben. Nun ist Bauer bisher nicht gerade als Verleger von Qualitätszeitungen aufgefallen. Trotzdem: Wenn es einen weiteren konkurrenzfähigen Bieter gäbe - wie wäre dann Holtzbrincks Argumentation von der einzigen Rettungschance für die beiden Berliner Blätter aufrecht zu erhalten? In der Krise fallen die Tabus Auch die Stiftungs-Idee findet in der Branche offenbar wenig Fürsprache, zumal ihre kartellrechtliche Zulässigkeit von der Monopolkommission bestritten wurde. Selbst Clements SPD-Parteifreund Bodo Hombach, inzwischen Geschäftsführer bei der WAZ-Gruppe, sagte in einem Interview: "Wir finden den Holtzbrinck-Vorschlag nicht gut, raten ab, würden ihn aber tolerieren, wenn er nicht zum Modell erklärt wird." Bei der WAZ, wo man prinzipiell alles, was rentabel genug erscheint, als potentiellen Übernahmekandidaten betrachtet, wenn nur der Preis stimmt, wird indes eine andere modellhafte Veränderung angestrebt. Das Gesetz zur Pressefusionskontrolle - laut Hombach ein "widersinniges, die Intention auf den Kopf stellendes Sondergesetz" - soll endlich abgeschafft werden. Die Zeit dazu ist günstiger denn je. Denn in der Krise fallen die Tabus: Die FR bekommt ihre Landesbürgschaft, Holtzbrinck vielleicht im Mai die Ministererlaubnis, und am Ende könnte eine Entwicklung stehen, die völlig neue wirtschaftliche Rahmenbedigungen präjudiziert.
Zuletzt bearbeitet 18.04.2003 12:12 Uhr
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