Beim Schwarzwälder Boten ein Sieg mit bitterem Beigeschmack

Keine heile Welt mehr: Verlagshaus des Schwarzwälder Boten (vorne, rechts) in Oberndorf
Foto: Hubweger/Wikipedia
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Keine heile Welt mehr: Verlagshaus des Schwarzwälder Boten (vorne, rechts) in Oberndorf
Foto: Hubweger/Wikipedia
Kurz vor Weihnachten ist der Frieden beim Schwarzwälder Boten wieder hergestellt. 96 Tage lang hatte die Belegschaft bei dem Traditionsblatt in Oberndorf gegen das Outsourcing von Redaktion und Anzeigenabteilung gestreikt, bis sich die Verlagsleitung um den mauernden Manager Richard Rebmann Anfang Dezember endlich auf Tarifverhandlungen einließ. Doch der Erfolg hat einen bitteren Geschmack.

Bestandsschutz-Tarifvertrag
Nach drei Verhandlungs-Tagen steht fest, dass die Mitarbeiter der beiden ausgegliederten Redaktions- und Medienvermarktungsgesellschaften mindestens bis Ende 2014 nach Tarif bezahlt werden - sofern sie bis zum 8. Dezember 2011 dort beschäftigt waren. Ein solcher "Anerkennungs-Tarifvertrag" gilt auch für den Grafik-Boten - ein Bonbon zum Abschied, denn die Mitarbeiter des bereits 2008 ausgegliederten Satz- und Grafikstudios werden sowieso entlassen. Ihre Arbeit sollen künftig externe Dienstleister übernehmen.

Es ist ein Kompromiss, der nicht in die Zukunft weist, sondern in erster Linie Bestandsschutz betreibt: Die alte Belegschaft wird vor drohenden Einschnitten geschützt; wer neu beim Schwabo anfängt, hat nichts mehr davon. Wenigstens der nächste Volontärs-Jahrgang soll aber noch unter den Anerkennungs-Tarifvertrag fallen. Ein Zeichen der Solidarität: Dafür hätten die beschäftigten Redakteure auf eine Einmalzahlung im Februar 2013 verzichtet, heißt es bei Ver.di. Damit sieht der Verhandlungsführer der Dienstleistungsgewerkschaft, Gerd Manthey, "95 Prozent unserer Streikziele" erreicht. Im nächsten Jahr will man weiter verhandeln.

Im Herzen der SWMH
Bemerkenswert ist dieser Streit in der einstigen Schwarzwald-Zeitungsidylle vor allem deshalb, weil er sich im Herzen von Deutschlands größtem Regionalzeitungskonzern abgespielt hat: Der Schwabo gehört zur Südwestdeutschen Medien Holding, Verleger Rebmann ist seit 2008 auch SWMH-Chef und damit oberster Sparkommissar eines Patchwork-Zeitungsriesen, der seinen Gesellschaftern lange Zeit als sicherer Rendite-Lieferant galt, sich aber, so heißt es in der Branche, mit der Übernahme der Süddeutschen Zeitung übernommen hat. Bei der SWMH bekam Rebmann deshalb jüngst zwei neue Geschäftsführer zur Seite gestellt. Doch auch mit dem Krisen-Management im eigenen Schwarzwald-Haus war er offenbar überfordert.

Der Streik hat die Zeitung jedenfalls nicht nur Abonnenten und Anzeigenkunden gekostet, wie man aus der Redaktion hört. Auch das Vertrauen in den Verleger ist nachhaltig gestört. Noch Anfang 2010, bei der 175-Jahr-Feier der Zeitung, hatte die Geschäftsführung ihre Mitarbeiter als unverzichtbar gelobt. Inzwischen heißt es: Das waren alles nur Lippenbekenntnisse.

"Die Kolleginnen und Kollegen beim Schwarzwälder Boten haben mit ihrem monatelangen Arbeitskampf ein klares Signal gegeben: Gegen Tarifflucht muss und kann man sich erfolgreich stemmen. Die Geschäftsleitungen des Konzerns werden sich Auslagerungen von Unternehmen und Verschlechterungen der Beschäftigungsbedingungen künftig zwei Mal überlegen", glaubt Ver.di-Landesbezirksleiterin Leni Breymaier. Ob die wehrhaften Oberndorfer mit ihrem Arbeitskampf den Ausgliederungs- und Sparwillen der SWMH in Stuttgart, München und anderswo tatsächlich gebändigt haben, muss sich zeigen.