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Asoziales Social Payment

Kachingle sammelt für taz.de
Screenshot (Ausschnitt)
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Kachingle sammelt für taz.de
Screenshot (Ausschnitt)
Hinter Social-Payment-Systemen steckt eine ungewöhnliche Idee: Die Nutzer können zahlen, aber sie müssen nicht, und den Preis bestimmen sie selbst. Der schwedische Bezahldienst Flattr hat mit dieser Philosophie zumindest in der deutschen Blogosphäre schon Spuren hinterlassen. Was aber passiert, wenn sich soziale Bezahlanbieter in den Augen ihrer Zielgruppe asozial verhalten?

Ungebetene Geldsammler
Bei der taz, die als erste deutsche Tageszeitung Flattr nutzte und vor drei Wochen einen eigenen "taz zahl ich"-Button aktivierte, wundert man sich gerade über den Flattr-Konkurrenten Kachingle. Der nimmt neuerdings Spenden für taz.de entgegen, obwohl die Zeitung den US-Dienst überhaupt nicht nutzt, wie Online-Chefredakteur Matthias Urbach im taz-Hausblog klarstellt.

Wie kommt's? Kachingle bietet schon seit letztem Herbst eine inzwischen für alle vier großen Browser verfügbare Erweiterung namens KachingleX an, die mit etwas JavaScript-Magie theoretisch auf jeder Website einen Bezahlknopf, das sogenannte Kachingle-Medaillon, einblenden und dort Geld einsammeln kann - auch wenn der Betreiber gar kein Kunde von Kachingle ist. "Das Kalkül dabei ist, dass der schon einen Account einrichtet, wenn er feststellt, dass man ihm Geld schenken will. Geld stinkt eben nicht", schreibt Urbach. Dieses Vorgehen wirke "irgendwie unseriös".

Offen und sozial
Im letzten Jahr schickte die New York Times sogar eine Unterlassungserklärung, nachdem das 2009 gegründete Startup per Pressemitteilung zum "Stopp" der Times-Paywall aufgerufen hatte. "Wir hier bei Kachingle sind entschlossen, das Web offen und sozial zu halten", bekundete damals Firmen-Gründerin Cynthia Typaldos. Die Nutzer sollten die von ihnen geschätzten Times-Blogs lieber "direkt unterstützen", und zwar "mit einer freiwilligen Spende von nur 5 Dollar pro Monat".

Nicht nur bei Zeitungs-Verlagen stößt das Sendungsbewusstsein von Kachingle auf fehlende Gegenliebe. Laut Leaderboard haben selbst die von Kachingle-Nutzern meist besuchten Websites selten viel mehr als 100 Dollar verdient - nicht pro Monat, sondern über den gesamte Zeitraum der Mitgliedschaft hinweg. Dem Dienst fehlt es schlicht an attraktiven, Reichweiten-starken Kunden. Die werden aber nur kommen, wenn sie das Gefühl haben, dass auf ihre teuren Medienmarke nicht nur Almosen warten.

Twitter flattern
Auch Flattr, das für seine besten Kunden wie die taz in guten Monaten immerhin zwischen 1.000 und 2.000 Euro eingesammelt hat, stagniert inzwischen nach Ansicht von Beobachtern aus der Blogosphäre. Mitgründer Peter Sunde will das ändern. Auf der Republica 2011 in Berlin stellte er Neuerungen in Aussicht, um die freiwilligen Micropayments über den Tellerrand der Blogs hinaus zu befördern.

Bald, so Sunde, soll beispielsweise jeder Tweet flatterbar sein - und zwar, ohne dass Twitter den Button selbst einbindet. Es steht allerdings zu befürchten, dass die Betreiber des Microblogging-Dienstes, der zu einer der größten Erfolgs-Storys des Social Web geworden ist, dieses Verhalten dann ebenfalls für asozial halten.
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