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Zukunftsichere, gerechte Zwangsgebühr: Ministerpräsidenten bringen Haushaltsabgabe ins Ziel

Was lange währt, wird's endlich gut? Die Ministerpräsidenten der Länder haben auf ihrer letzten Tagung des Jahres in Berlin endlich die Reform der Rundfunkgebühr verabschiedet und sich danach kräftig auf die eigenen Schultern geklopft. Mit dem Wechsel von der gerätebezogenen zur Haushalts-Gebühr werde die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks "nicht nur zukunftssicher, sondern auch gerechter", dekretierte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, dessen Land im Herbst turnusgemäß den Vorsitz der Konferenz übernommen hat.

Freie Journalisten zahlen weniger
Das Wortungetüm 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag entledigt Politik und Anstalten der kuriosen Argumentations-Krücke, Computer oder Smartphones zu "Rundfunkgeräten" zu erklären, um sie sodann gebührenpflichtig zu machen. Ab 1. Januar 2013 - sofern alle Landtage zustimmen, was Sachsen vor fünf Jahren nicht tat, woraufhin das Bundesverfassungsgericht per Urteil die Unabhängigkeit der Anstalten stärkte - wird die Gebühr pauschal für jeden Haushalt genau ein Mal fällig. Ob dort öffentlich-rechtliche Programme via Dampfradio, Online-Mediathek oder auch gar nicht konsumiert werden, wird dann ganz egal sein.

Selbständige, etwa freie Journalisten, die im beruflich genutzten Auto ein Radio haben und im häuslichen Arbeitszimmer einen PC, kommen sogar besser weg; sie zahlen nur noch ein Mal. Handwerk und mittelständischen Unternehmen drohen dagegen in Einzelfällen sprunghaft steigende Ausgaben. Nach Protesten von Branchenverbänden haben die Ministerpräsidenten deshalb nachgebessert: Betriebsstätten mit bis zu acht Beschäftigten zahlen nur eine Drittel-Gebühr, zunächst lag die Grenze bei vier; zudem bleibt ein Firmenwagen freigestellt.

Echte Zwangsgebühr
Unter dem Strich ist die Haushaltsabgabe eine echte Zwangsgebühr; Rundfunk-Verächter sind gar nicht vorgesehen. Befreit werden nur Hartz-IV-Empfänger, Seh- und Hörbehinderte zahlen künftig ein Drittel. Die GEZ-Schnüffelei soll ein Ende haben. Allerdings müssen die gebührenpflichtigen Haushalte ermittelt werden. Die Angaben sollen von den Einwohnermeldeämtern kommen; von privaten Adresshändlern darf die GEZ keine Daten mehr ankaufen. Damit seien einige Datenschutz-rechtliche Bedenken ausgeräumt worden, sagte Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin der Grünen.

Die Gebühr soll angeblich nicht erhöht werden. Dass sich diese Linie bis 2013 noch ändern könnte, mag aber kein Rundfunkpolitiker laut sagen; ein von Sachsen zwischenzeitlich angestrebtes Moratorium, das die bisherige Gebühr - 17,98 Euro monatlich - per Gesetz als Höchstgrenze festgeschrieben hätte, war nicht durchzusetzen. Wie der Wechsel des Finanzierungsystems sich in der Praxis auswirken wird, kann nicht einmal die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs genau prognostizieren. Sie errechnet die Gebühr anhand des Finanzbedarfs, den die Anstalten bei ihr anmelden. Dabei mag der eine oder andere Posten von den Finanzprüfern zusammengestrichen werden. Letztlich haben es die Öffentlich-Rechtlichen aber selbst in der Hand, ob sich die Gebühr erhöht.

"Einen gewaltigen Ochsen gefüllt"
In den letzten Jahren hatten die Anstalten aber mit Gebühren-Ausfällen zu kämpfen, die eben nur mit Gebührenerhöhungen zu kompensieren waren. Die Zahl der angemeldeten Geräte gibg zurück. Solche Unwägbarkeiten sollen durch die Umstellung auf die pauschale Haushaltsabgabe abgefangen werden. Die meisten Presse-Kommentatoren glauben sogar, dass ARD und ZDF das große Los gezogen haben; der FDP-Politker Burkhardt Müller-Sönksen bekam im August sogar Hitzewallungen und prognostizierte in der Bild-Zeitung bis zu 1,6 Milliarden Euro Mehreinnahmen pro Jahr.

Das wäre nicht einmal das Schlechteste: Schließlich müssten die Öffentlich-Rechtlichen Überschüsse nachträglich wieder zurückzahlen; die Gebühren könnten dann sinken. Treffender ist wohl die Einschätzung, dass ARD, ZDF und auch der kleine Bruder Deutschlandradio durch die Gebührenreform künftig in einer Weise gepolstert sind, von der die freie Medienwirtschaft nur träumen kann. Es geht hier nota bene um ein Gebührenaufkommen von insgesamt 7,6 Milliarden Euro (Stand: 2009). Die Ministerpräsidenten hätten "einen gewaltigen Ochsen gefüllt und einen Brunnen aufgestellt, aus dem unablässig Geld sprudelt", kommentierte denn auch die Süddeutsche die Einigung der Ministerpräsidenten.

Allerdings beschlossen die Rundfunkpolitiker auch, den Anstalten das Programmsponsoring werktags nach 20 Uhr und an Sonn- und Feiertagen zu verbieten. Das betrifft vor allem Sport-Übertragungen; freilich gibt es für Fußball-Länderspiele und Olympische Spiele wieder eine Ausnahmeregelung vom Gesetzgeber. Werbung bleibt in den bisherigen Grenzen weiterhin erlaubt.

Das andere Extrem: Großbritannien
Dass man es auch anders machen kann, zeigt das Beispiel Großbritannien. Dort wurde die Gebühr von der neuen konservativen Regierung nicht nur auf lange Zeit gedeckelt. Sie ist auch nicht für alle Haushalte verpflichtend. Großbritannien bildet mit seinem BBC-Thatcherismus das negative Extrem. In Deutschland dagegen scheint das öffentlich-rechtliche System trotz des ARD-internen Gefälles zwischen großen und kleinen Länderanstalten stabil im Wind zu liegen.

Sollte das kein gutes Zeichen für den Journalismus sein? Während die Verlage Stellen abbauen, könnten ARD und ZDF doch ganz im Sinne ihres Auftrages ihre journalistischen Formate verbessern. Doch der Trend bei der ARD, die 2009 5,4 Milliarden Euro aus dem Gebührentopf erhielt, deutet in eine andere Richtung. Die jüngste Programm-Reform stempelt das Erste zum Talkshow-Sender. Die klassischen politischen Magazine rücken dagegen weiter in den Hintergrund, während die Dokumentationen 2011 ihren besten Sendeplatz verlieren.
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