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Wer hat Angst vor der deutschen Huffington Post?

So sieht die Huffington Post auf Japanisch aus
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So sieht die Huffington Post auf Japanisch aus
(Screenshot)
Wenn eine Online-Redaktion mit 15 Mitarbeitern eröffnet wird, dann klingt das erst einmal so, als würde ein weiterer Nachrichten-Durchlauf-Erhitzer ins Web entlassen. Wenn aber diese neue Online-Redaktion die Huffington Post, das digitale Boom-Medium überhaupt, auf Deutsch macht, dann wird der Fall doch zur Besonderheit. Am 10. Oktober will das Medienhaus Burda, zuletzt durch den erfolgreichen Internet-Handel mit Tierfutter aufgefallen, das News-Portal starten; als Chefredakteur wurde Sebastian Matthes, 36, von der Wirtschaftswoche geholt. 

Ehrgeizige Ziele
Drei Millionen Euro investiere die Burda-Tochter Tomorrow Focus in den vorerst für zehn Jahre lizenzierten Titel, berichtet die FAZ. Ein überschauberer Betrag. Die Ziele sind hingegen ehrgeizig: "Spätestens 2016 wollen wir mit der Huffington Post profitabel sein und nach fünf Jahren die mediale Flughöhe von FOCUS Online erreichen - zudem 10-15 Millionen Euro Nettoumsatz, eine zweistellige Umsatzrendite und ca. 9 Millionen Unique User", wird Vorstandsmitglied Christoph Schuh in einer Mitteilung zitiert.

Wie soll das gehen? In den USA hat die Huffington Post, benannt nach der Gründerin Arianna Huffington, mit einer Mischung aus Journalismus, Aggregation von Fremd-Quellen und unbezahlten Beiträgen von Bloggern - in der Summe einem riesigen Content-Kaugummi, an dem Milliarden Klicks kleben bleiben - sogar die New York Times überholt, jedenfalls gemessen an den Seiten-Abrufen. Kritikern, die der Huffington Post vorhalten, kaum eigenen Journalismus zu liefern, kann die ehrgeizige Frau Huffington, geborene Stasinopoúlou, seit 2012 einen echten Pulitzer Preis vorhalten. 2011 kaufte sich AOL bei ihr ein.

Aggregation als Exportgut
Huffington hat ihr Modell, das die Publizistik-Zeitschrift Columbia Journalism Report einmal als Six degrees of aggregation beschrieb, mit einheimischen Medienpartnern bereits nach Frankreich (seit Januar 2012 mit Le Monde), Italien (seit September 2012 mit der Zeitschrift L'Espresso), Japan (seit Mai 2013 mit der Tasgeszeitung Asahi Shimbun) und Spanien (seit Juni 2012 mit El País) verkauft. Außerdem existieren Editionen für Großbritannien, Kanada und die Maghreb-Staaten. Die deutsche HuffPost ist die Nummer neun und soll auch Österreich und die Schweiz abdecken.

Hierzulande wird der Nachrichtenmarkt auch im Internet bisher von traditionellen Medienmarken beherrscht. Eigenständige publizistische Marken wie die Netzeitung oder Zoomer.de scheiterten. Allerdings ist die Huffington Post keine Online-Zeitung, kein traditionelles redaktionelles Medium mehr. Wenn das Kalkül aufgeht, dann schreibt sich die Website mit aggregierten Inhalten und user generated content fast von selbst voll. In den USA funktioniert das jedenfalls; ob deutsche Onliner da mitmachen, muss sich erst noch erweisen.

In Amerika wuchs die Huffington Post nicht nur mit gossip und celebrities, an denen drüben bekanntlich ein Überangebot besteht, sondern auch mit der Berichterstattung über den Wahlkampf, der Obama ins Weiße Haus führte. Kaum zu glauben, das Angelika Merkel in Deutschland ein ähnliches Interesse hervorrufen würde. Dass die deutsche HuffPost die Bundestagswahlen verstreichen lässt, spricht auch nicht für besondere politische Ambitionen. Nicht zuletzt fehlt hierzulande eine Medien-Persönlichkeit wie Arianna Huffington als publizistisches Aushängeschild. Viel Angst vor dem Herausforderer scheinen Spiegel Online und Co.jedenfalls nicht zu haben.
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