US-Medien: Das "September 11"-Rollback

Nicht nur das Ansehen von Präsident George Bush ist ein Jahr nach den Terror-Anschlägen in New York und Washington gesunken. Auch die amerikanischen Medien haben ihre hohen Sympathiewerte eingebüßt. "Die öffentliche Kritik an den Nachrichtenmedien, die als Reaktion auf die Berichterstattung zu den Angriffen vom 11. September abgeflaut war, ist wieder so laut wie eh und je", stellten die Meinungsforscher vom Pew Research Center fest. Miesmacherische Medien Die schlechten Unfragewerte sind allerdings die einzige Gemeinsamkeit, die Bush und die Medien in diesen Tagen haben. Denn während der US-Präsident mit seiner Kampagne gegen den Irak die patriotischen Gefühle der US-Bürger neu entfachen will, wird den Medien von Teilen der Öffentlichkeit genau das Gegenteil angekreidet: kritische Mießmacherei statt Patriotismus. Nur noch 49 Prozent halten die US-Medien nach den Umfrageergebnissen für "hoch professionell" - gegenüber 73 Prozent im letzten November. Auf den alten Stand zurückgefallen sind auch die Werte für Moral, Fairness und Genauigkeit der Berichterstattung. Dahinter steckt offenbar verletzte Vaterlandsliebe: Die Frage, ob die Medien hinter Amerika stehen ("stand up for America"), wollten nur noch 49 Prozent der repräsentativ Befragten bejahen; nach dem 11. September waren es 69 Prozent. Statt dessen glauben 35 Prozent, die Berichterstattung sei zu kritisch. Unliebsame Berichterstattung "Die Öffentlichkeit hat uns am meisten im November geliebt, als auf den TV-Bildschirmen Fahnen wehten", schrieb kürzlich Pulitzer-Preisträger Alex Jones, Moderator des TV-Magazins Media Matters": "Die Journalisten stellten nur wenig harte Fragen nach der Bombardierung von Zivilisten und zivilen Opfern, und das amerikanische Militär rollte einem vernichtenden Sieg in Afghanistan entgegen." Diese Zeiten sind vorbei, und die US-Medien erleiden an der Heimatfront ein schmerzhaftes Rollback: Journalistenorganisationen wie die Reporters Committee for the Freedom of the Press beklagen, dass die Bush-Administration den Zugriff auf Informationen und öffentliche Dokumente begrenzt hat und weiter begrenzen will. Die freizügige Handhabung des Freedom of Information Act, der den Anspruch der Öffentlichkeit auf regierungsamtliche Informationen regelt, wurde von der konservativen Regierung zurückgefahren, nachdem Bushs Vorgänger Bill Clinton den Behörden noch "Openness" aufgetragen hatte. Der Kampf der Konservativen Dahinter steht allerdings ein altes Motiv: Der Kampf des konservativen Lagers gegen die "liberalen" Medien, wobei das Wort liberal in der politischen Farbenlehre der USA für links steht. Orchestriert wird diese Auseinandersetzung der ideologischen Lager durch zwei Bücher, die in den letzten neun Monaten erschienen sind und in Zeiten patriotischer Aufwallung ein besonderes Echo finden. In "Bias", als Insiderbericht aufgemacht, schildert ein langjähriger Reporter des TV-Networks CBS, wie "liberale Voreingenommenheit die Mainstream-Medien unterwandert" (Klappentext). Das erste Kapital heißt bezeichnenderweise "Die News-Mafia". Im Juli erschien dann "Slander", zu deutsch Verleumdung, dessen Untertitel "Liberale Lügen über die amerikanische Rechte" Programm ist. Autorin ist die konservative Fernsehkommentatorin Ann Coulter, die nach den Terror-Anschlägen forderte: "Wir sollten in ihre Länder einmarschieren, ihre Anführer umbringen und sie zum Christentum konvertieren." Medienfeindlichkeit ernst nehmen Wo so grob gehobelt wird, fallen auch Späne. Pulitzer-Journalist Alex Jones, der in Harvard ein Forschungsinstitut leitet, warnt jedenfalls davor, die jüngsten Umfrageergebnisse über die Unzufriedenheit mit den Medien einfach zu ignorieren. "Der Punkt ist, dass wir die Unterstützung der Öffentlichkeit brauchen - mehr denn je." Sonst könnte es passieren, dass die Pressefreiheit in Amerika dauerhaft beschnitten wird, und keiner regt sich mehr darüber auf.
Zuletzt bearbeitet 10.09.2002 19:12 Uhr