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"Ist PR-Journalismus schlechterer Journalismus?"

Vortrag von Thomas Postina, Postina Public Relations PPR, Seeheim-Jugenheim, bei der VDMJ-Tagung am 18. Juni in Berlin.

Ich bin gebeten worden, auf dieser Tagung zum Thema: „Ist PR-Journalismus schlechterer Journalismus?“ zu sprechen. Was wollte der Veranstalter damit sagen? Der Titel hat mir anfangs – aus mehreren Gründen – Kopfzerbrechen bereitet. Heute geht es also um den Konflikt zwischen den „richtigen“ Journalisten der Tages- und Fachmedien und den PR-Fachleuten, die mit journalistischen Mitteln oder mit Hilfe von Journalisten die Ziele ihrer Auftraggeber in den Medien verwirklichen wollen. In meiner Person vereinen sich die vielfältigen Facetten jenes schillernden Gewerbes, das heute allgemein und damit verwaschen als Kommunikationsbranche bezeichnet wird. Ich war jahrelang Ressortleiter einer regionalen Tageszeitung, saß dann als Chef der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie gewissermaßen zwischen Baum und Borke, also auf keiner der Seiten des bekannten Schreibtischs, der Journalismus und PR-Leute angeblich trennt. Mit der Gründung meiner Agentur bin ich nun eindeutig ins PR-Fach gewechselt und mache das, was man von einem PR-Mann erwartet: Die Interessen seiner Auftraggeber im Dialog mit der Öffentlichkeit vertreten. Ich habe die Kommunikationsbranche damit aus drei ganz unterschiedlichen Blickwinkeln kennen gelernt und kann mir ein recht gutes – natürlich subjektives - Bild von den Möglichkeiten und Zwängen aller Beteiligten machen. Ist PR-Journalismus schlechter – ja als was? Als Journalismus oder als Public Relations oder als beides zusammen? PR-Journalismus – gibt es den überhaupt? Ist dies nicht ein Widerspruch in sich? Journalismus strebt danach, die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß, umfassend über aktuelle Entwicklungen zu informieren und diese Entwicklungen aus eigener Sicht zu bewerten. Bei der Wahl der Themen lässt sich eine Journalistin oder ein Journalist von den vermuteten Interessen seiner Rezipienten leiten. Er schreibt aus eigenem Antrieb – oder auf Anregung seiner Chefredaktion - über das, was er als interessant und neu empfindet. Er entscheidet als Redakteur unabhängig, was er veröffentlichen will. Public Relations ist Auftragskommunikation. Sie verbreitet Informationen, mit denen ein Auftraggeber ein Ziel verbindet. Dieses Ziel kann übergreifend sein, also der Imagebildung dienen oder dem Werben um Verständnis, oder er kann helfen, die Vorteile eines neuen Produkts deutlich und bekannt zu machen. Public Relations versucht im – mehr oder weniger - offenen Dialog Informationen und Standpunkte von Firmen, Verbänden und anderen Organisationen an die Öffentlichkeit heranzutragen, sie vielleicht erst darauf aufmerksam zu machen und damit im besten Falle eine öffentliche Debatte, im Normalfall gewisse öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen. Der PR-Fachmann verbreitet – anders als der Journalist – nur Informationen, die er mit seinem Auftraggeber abgestimmt hat. Insoweit haben Journalist und PR-Fachmann ganz unterschiedliche Aufgaben. PR-Journalismus kann es nach dieser Definition also gar nicht geben. Das Eine schließt das Andere aus. Zwei Herren zu dienen, geht nicht. Doch so unversöhnlich wie es scheint, stehen sich Journalismus und PR gar nicht gegenüber. Ich gehe sogar soweit zu sagen: Sie befruchten sich gelegentlich sogar. Ob man es gut findet oder nicht: Es gibt Mischformen und Rollentausch, etwa - PR-Leute, die gekonnt mit journalistischen Mitteln Themen – ihrer Auftraggeber – aufbereiten und Texte und Beiträge liefern, die allen journalistischen Kriterien gerecht werden. - Journalisten, die von Zeit zu Zeit im Auftrag von Unternehmen, Verbänden oder PR-Agenturen, Beiträge verfassen, die als PR-Materialien an die Medien verschickt werden. - Es gibt Journalisten, die an unternehmensfinanzierten Publikationen mit qualitativ hohem Anspruch wie etwa „Future“ von Aventis oder „Research“ von Bayer, mitarbeiten. Wenn unter PR-Journalismus Artikel und Beiträge verstanden werden, die ein Journalist im Auftrag eines Unternehmens, eines Verbandes oder einer PR-Agentur schreibt, dann werden – um auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen - diese Artikel an sich nicht schlechter und nicht besser sein als jeder andere journalistische Beitrag auch. Vielleicht sollte man statt von PR-Journalismus besser von Auftragsjournalismus sprechen. Ein Journalist, der ins PR-Fach wechselt, schreibt ja deshalb nicht plötzlich schlechter. Die Qualität verändert sich schließlich nicht mit der Rolle, in die der Autor jeweils schlüpft. War er schon vorher ein schlechter Autor, dann wird er auch bei seinem Ausflug ins PR-Fach keine besseren Beiträge abliefern. Hat er sich als Edelfeder einen Namen gemacht, dann wird sich auch sein PR-Beitrag wohltuend vom Durchschnitt abheben. Welche Motive gibt es für PR-Agenturen, mit Fachjournalistinnen oder Fachjournalisten zusammen zu arbeiten? Meine Antwort ist klar und nüchtern: Ich benötige gelegentlich ihr Know-how, ihre Fachkompetenz, die ich in der Agentur überhaupt nicht vorhalten kann, weil meine Kunden sehr vielfältige fachliche Anforderungen an uns stellen. Wenn eine PR-Agentur dann einen Kollegen findet, der sie in einer speziellen Frage unterstützt, ist dies sowohl für die Agentur wie für den Journalisten eine – wie es so schön heißt – Win-Win-Situation. Ich arbeite gerne mit Journalisten zusammen und möchte dies auch in Zukunft weiter. Daher ist mir sehr daran gelegen, diese Zusammenarbeit auf allgemein anerkannte Grundlagen zu stellen. Einen Vorschlag dazu werde ich später noch machen. Nun stecken – das soll nicht verschwiegen werden – hinter der Beauftragung von Journalisten durch Unternehmen natürlich nicht nur hehre Ziele. Manche Unternehmen hoffen auf einen Sekundärnutzen, nämlich eine gewisse Bindung an das Unternehmen oder verbessert Chancen, mit den eigenen Firmenmeldungen in der späteren Berichterstattung besser berücksichtigt zu werden. Hier stehen im übrigen die festangestellten Redakteure renommierter Medien mit direktem Einfluss auf die Berichterstattung höher im Kurs als freie Journalisten, die ihre Redaktionen erst mühsam überzeugen müssen. Übrigens: Um wichtige Journalisten einem Unternehmen gewogen zu machen, bedarf es nicht unbedingt eines klassischen PR-Auftrags. Man kann sie – vermeintlich unverfänglich - um Moderationen bitten oder zu Vorträgen einladen. Ob der erhoffte Sekundärnutzen eintritt, das hängt davon ab, wie stark der Eingeladene Hauptberuf und Nebenjob zu trennen vermag. Jeder hier im Saal weiß, wie schwer es ist, sich als freier Medizinjournalist von den oft bescheidenen Honoraren der Verlage durchzuschlagen. Die Arbeitssituation der Medizinjournalisten hat sich geraden in den letzten Monaten zugespitzt. Viele Blätter kränkeln, andere reduzieren ihre Umfänge. Für viele Journalisten sind gelegentliche Aufträge aus der Pharma-Industrie, von Verbänden und Institutionen ein willkommenes und oft notwendiges Geschäftsfeld, das sie auch beackern sollten. Voraussetzung sind klare Absprachen über Art und Umfang der Arbeit zwischen dem auftraggebenden Unternehmen und dem Journalisten einerseits und Offenheit gegenüber den Redaktionen, mit denen der Journalist zusammen arbeitet, andererseits. Bei Wahrung der Transparenz halte ich den Rollentausch vom Journalismus zur Auftragspublizistik – der ja nicht neu ist, sondern den es schon immer gab – für absolut legitim. Vorausgesetzt – wie gesagt - alle Beteiligten bekennen sich offen dazu. Dies ist jedoch leider nicht immer der Fall. Das liegt an dem teilweise immer noch verlogenen Umgang mit diesem Thema. Gerade weil dieses wichtiger werdende Geschäftsfeld besonders für freie Journalisten auf Seiten von Redaktionen und fest angestellten Redakteuren immer noch stigmatisiert wird, halten manche freie Journalisten lieber den Mund. Sie lassen ihre PR-Arbeit im Dunkeln und sagen nichts, weil sie Schwierigkeiten fürchten. Ein anderer Punkt darf natürlich auch nicht verschwiegen werden. Manche PR-Agentur und manchem Industrieauftraggeber ist ja ganz recht, wenn ein Journalist unter seinem guten Namen vermeintlich unabhängige, in Wirklichkeit aber von Ihnen bezahlte Beiträge in möglichst vielen Blättern publiziert. Den Gordischen Knoten der Stigmatisierung des – transparenten - Auftragsjournalismus müssen wir durchschlagen: durch eine weniger dogmatische Betrachtungsweise. Wir sollten ihn wesentlich gelassener sehen und uns hüten, den moralischen Zeigefinger heben, den im übrigen – das ist mein Eindruck - oft gerade jene besonders hoch recken, die sich mit dem Zeigefinger lieber an die eigene Nase fassen sollten. Stattdessen müssen wir dafür sorgen, dass es selbstverständlich wird, dass freie Journalisten gegenüber einer Redaktion offenbaren können, für welches Unternehmen sie in welchem Umfang arbeiten. Dann können Interessenskonflikte – etwa bei der Besetzung einer Firmenveranstaltung – vermieden werden. Mein Wunsch wäre, dass die Journalistenverbände Transparenz-Empfehlungen für den Fachjournalismus erarbeiten, so wie es sie im Börsenjournalismus bereits gibt. Dort sind die Kollegen gehalten, ihren Chefredakteuren mitzuteilen, von welchen Unternehmen sie Anteile besitzen. Das schützt die betroffenen Journalisten selbst am meisten vor der Gefahr, durch die Arbeits- und Themenvergabe in einen Interessenkonflikt gestürzt zu werden. Ein solches Transparenz-Gebot brächte den Auftragsjournalismus oder PR-Journalismus heraus aus der Grauzone, die für alle Beteiligten unerfreulich ist. Ich möchte hier noch einen anderen Aspekt ansprechen: Die Qualität der Arbeit. PR-Aufträge werden in der Regel nicht nach Zeilen bezahlt. Hier weiß der Journalist von vornherein, was er am Ende für seine Arbeit bekommt. Oft legt der Auftraggeber sogar besonderen Wert auf umfangreiche Recherche. PR-Aufträge bieten oft Gelegenheit, dank gesicherter finanzieller Basis wesentlich tiefer in die Materie einzusteigen, gründlicher zu recherchieren und sorgsamer zu formulieren. Wer sich die Zeitschriften von Bayer und Aventis, „Future“ und „Research“ einmal anschaut, der wird bei allen konzeptionellen Unterschieden beider Blätter eines feststellen: Sie schneiden gegen über vielen – unabhängigen – Zeitschriften qualitativ deutlich besser ab. Hier braucht sich Auftragsjournalismus nicht vor dem unabhängigen Journalismus zu verstecken. Diesen Kollegen kann man zu ihrer journalistisch guten Arbeit nur gratulieren. Jeder Fachjournalist, der die Chance hat, sich – vielleicht als einziger und auf Veranlassung einer Firma - intensiv mit einem Thema zu beschäftigen, profiliert sich als Fachmann und erhöht seinen Marktwert. Was spricht denn dagegen, dass eine Redaktion sich der Mitarbeit dieses Fachjournalisten versichert, wenn sie zu diesem Thema einen Beitrag plant? Nichts. Es spricht sogar viel dafür. Man kann ja durchaus in einer Fußnote darauf hinweisen, worauf dieses Wissen zurück geht. Ich sehe darin eine Chance auch für die journalistische Arbeit. Wir sollten uns jedoch davor hüten, die Frage des Konflikts zwischen Journalismus und PR auf die Ebene der Journalisten zu verengen. Genau so wichtig ist die Rolle der Verlage und Sender, von denen einige die Entscheidungskritierien über die Veröffentlichung bestimmter Unternehmensinformationen eindeutig verändert haben. Nicht mehr der Nachrichtenwert, die Aktualität oder die Bedeutung eines Forschungsergebnisses und seine Folgen für die Menschen sind allein ausschlaggebend dafür, ob eine Redaktion eine Pressemitteilung oder einen Hintergrundbericht bringt oder einen Mitarbeiter zu einer Pressekonferenz schickt. Zumindest mitentscheidend ist die Frage, in welchem Umfang dieses Unternehmen in der Vergangenheit in dem Medium inseriert hat oder ob es dies künftig zu tun gedenkt. Und besonders erniedrigend für journalistische Mitarbeiter von Verlagen empfinde ich es, wenn sie gezwungen werden, am Rande von Presseveranstaltungen auch noch Inserate einzuwerben. Ich komme mir in meiner Rolle als PR-Berater dann recht komisch vor, wenn ich meinen Kunden raten muss, in diesem oder jenen Medium Anzeigen zu schalten, weil andernfalls mit einer Berichterstattung nicht gerechnet werden kann. Da der Erfolg von PR immer noch in erster Linie an der Zahl der Clippings – auf gut deutsch: anhand der Zahl von Zeitungsschnipseln – beurteilt wird, ist man als PR-Unternehmer in einer Zwickmühle. Dem Zwang, auch bei Clippings gut abschneiden zu müssen, kann man sich nur mühselig entziehen. Wer nun glaubt, diese Koppelung von finanziellen Interessen und redaktionellen Inhalten sei nur das Problem von Auflagen schwachen kränkelnden Fachblättchen, der irrt sich. Auch die elektronischen Medien, vor allem das Fernsehen, sind nicht frei von solchen Entwicklungen. In manchen Ratgebersendungen läuft ohne Geld nichts. Wer dort ein interessantes medizinische Thema vorschlägt, dem wird in manchen Fällen mit entwaffnender Offenheit – wenn auch nur mündlich - mitgeteilt, welcher Produktionskostenzuschuss erwartet wird oder welche Agentur die Themen für den Sender aufbereitet. Der Leser und Zuschauer kennt diese Hintergründe in der Regel nicht, weil anders als bei offenem PR oder Sponsoring, nicht genannt wird, wer wirklich dahinter steht. Er glaubt an die unabhängige Berichterstattung oder den Rat unabhängiger Experten. Letztlich entscheidet die Höhe des PR-Budgets darüber, was gebracht wird. Kleine PR-Agenturen, die ja oft auch kleineren und finanzschwächeren Kunden dienen, haben damit das Nachsehen. All dies bedenkend, sehe ich keinen Grund, einem Journalisten die Rote Karte zu zeigen, nur weil er ein paar Euro bei einem Unternehmen oder einer PR-Agentur dazu verdient hat. Im Gegenteil: Journalisten, die auf beiden Feldern arbeiten, sollten dies auch selbstbewusst bekennen. Wir sollten die Chancen sehen, die die übergreifende Zusammenarbeit in qualitativer, aber auch wirtschaftlicher Sicht bietet. Notwendig ist jedoch Transparenz. Sie macht diese Zusammenarbeit unangreifbar.
Zuletzt bearbeitet 02.07.2002 11:03 Uhr
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